30/11/23 – Tag 44 – Von positivem Negativem und der kleinen Blase

Ich

Gebannt starrte das Tochterkind auf den Coronatest, in dessen Sichtfeld sich die rosa Flüssigkeit langsam emporzog. Statt des eindeutigen Coronanachweis-Strichs tauchte zuerst der Referenzstreifen auf. „Wir müssen abwarten“, sagte sie entschieden, offenbar der Meinung, stetes Starren könnte den zweiten Streifen aufs Papier zaubern. Aber alles Starren, Drehen, Wenden und gegen-das-Licht-halten half nix: Der zweite Strich blieb aus, das Kind ist wieder seuchenfrei. Und somit morgen wieder Unterrichtsteilnehmer. So wenig sie Corona mag, so wenig sie Kranksein überhaupt toll findet – was ist eine verstopfte Nase und ein bisschen Nupfn schon gegen MATHEMATIK, die, in ihren Augen, die schlimmste Seuche überhaupt.

Nun ja, Eltern und die ganze Welt können ungerecht und doof sein, es hilft aber alles nix, morgen klingelt der Wecker wieder kurz nach sechs. Meiner im Übrigen auch, auch wenn das frühe Aufstehen meine ganz persönliche Pest ist, aber ich habe auch keine Wahl. Mein Test war heute morgen stramm positiv, ich teste morgen wieder. Für jeden negativen Test scheint im Haus im übrigen ein anderer krank zu werden – jetzt ist der Schwiegerpaps Team Doppelstrich, zum Glück symptomfrei.

Meine Blase ist in dieser Woche noch ein ganzes Stück weiter geschrumpft. (Also, nicht DIE Blase, die ist zum Glück noch ganz fit.) Aber während meiner Auszeit lebe ich ohnehin ein wenig in meiner eigenen Welt, flachliegend auf dem Sofa ist mein Radius noch ein gehöriges Stück kleiner geworden. Ich habe es diese Woche immerhin die Straße rauf und runter geschafft und mit dem Auto in den Nachbarort, um Hausaufgaben abzuholen. Fühlte sich fast wie ein Roadtrip an. Wenn ich morgen wieder fit bin, werde ich einkaufen gehen, so richtig im Supermarkt mit bunten Dingen und anderen Menschen. Ha. (Vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber es fühlt sich derzeit an, als lebte ich unter einem Stein.)

Der Bauch war heute tagsüber völlig schweigsam, also so, wie sich ein Bauch irgendwie anfühlen sollte. Dass ich morgens beim Aufwachen noch immer die schmerzende Stelle fühle, sei kein Grund zur Besorgnis, versicherte mir mein Hausarzt heute auf Nachfrage. Eine oder zwei Wochen lang sei das noch absolut im Rahmen, der Darm müsse abheilen und sich einkriegen. Das beruhigt mich ungemein, denn der kleine Hypochonder in mir war sich heute mittag zwischenzeitlich fast sicher, einen Gallenstein und / oder eine Leberzirrhose zu haben. Was man halt so hat, mit 43. Gucke ich in meinen Browserverlauf, stehen da Dinge wie „Wie schnell wächst ein Gallenstein“ oder „Wie fühlt sich kranke Leber an“. Memo an mich (und an alle, die das brauchen können): Lass es. Dr. Google ist ein schlechter Ratgeber. Und trotzdem konsultiere ich ihn hin und wieder und bin nach dem echten Doc-Besuch meist erleichtert, dass ich doch nicht unmittelbar sterbe. Also auch in Sachen Bauchgefühl: Trust the (Heilungs-)process. Und jetzt muss ich schnell wieder unter meinen Stein. Wenigstens noch bis morgen.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Frühstück ist ausgefallen, glaube ich. (MEIN HIRN! Der Stein ist vielleicht doch ein bisschen zu schwer…) Mittags gab es Zucchinireispfanne mit Feta, heute Abend dann das Frühstücksprogramm: Hüttenkäse mit Blaubeeren, Nussmus, Haferflocken und Honig.

Gelesen: Arbeit meiner Kollegen, also der paar, die noch arbeitsfähig sind.

Gesportelt: Ich möchte nicht darüber sprechen. Fühle mich wieder wie Toastbrot.

Gefreut über: Dass das Kind attributiv und adverbial auseinanderhalten kann, we’re getting there. Wenn wir mit Deutsch durch sind, lernen wir BNT (wie Bio nur besser, sagt das Kind). Und Englisch-Vokabeln. Es hört einfach nie auf.

29/11/23 – Tag 43 – Von laaaangem Warten und Lehrplänen aus der Hölle

Ich

So, Hefte raus, wir schreiben einen Test: Wer von Euch weiß, was ein attributives Adjektiv ist? Schmitz? Nein? Setzen. Ein prädikatives? Niemand? Ein adverbiales? Was ist der Numerus, Genus, Kasus des Nomens im Satz „Das Laub der drei Eichen lag dürr am Boden? LEUTE! Das ist Grammatikgrundwissen, Klasse fünf! Wie hieß es in der Aufgabe des Tochterkinds: „Vor lauter Schreck verschluckt Antonia ein Bonbon“ – Ich weiß nicht, wer diese Antiona ist, aber I feel you girl.

Nix gegen höhere Bildung. Wer die höchste Schule im System besucht, muss sich mit komplexen Aufgaben auseinandersetzen können und wollen. Aber wie an der Lebenswirklichkeit vorbei ist es bitte, wenn man von Elfjährigen erwartet, dass sie lateinische Fachbegriffe für grammatikalische Sachverhalte gerne lernen wollen? Und ist dieses „gerne lernen wollen“, das als wunderbarer Motor funktionieren könnte, nicht im Grunde in den Kindern verankert? Und wir machen es von Anfang an kaputt, indem wir den jungen Menschen Dinge vorsetzen, die sie mit Mühe auswendiglernen aber in der Kürze der vorgesehenen Zeit nur halb verstehen und dann sehr schnell und sehr gerne wieder vergessen?

Es ist weder für das Kind, noch für den, der mit ihm lernt, schön, die Frustration zu spüren, die sich von der ersten Stunde an ohne Not breit macht. Ich fühle mich am Ende der Hausaufgaben wie ein fucking Latein-Wörterbuch. Nichts gegen die Lehrer, die sicher nach Kräften versuchen, die Vorgaben umzusetzen. Aber möglicherweise wäre es hilfreich, in der Lebenswirklichkeit der Kinder anzusetzen und in der kommt die rein theoretische Kenntnis vom Unterschied zwischen prädikativen, adverbialen und attributiven Adjektiven schlicht nicht vor.

Ich mache beruflich was mit Sprache und habe aus Interesse heute zwei Kolleginnen gefragt, ob sie erklären könnten, welche Adjektivform was bedeutet. Ihnen ging’s wie mir – sie wussten’s nicht. Auch ich musste erstmal googeln. Was zeigt uns das? Wir haben alle drei Abitur und arbeiten im selben Berufsfeld. Unser Deutsch ist grammatikalisch sicher sehr passabel und auch ansonsten gehen wir ganz solide durchs Leben. Aber niemalsnicht kamen wir jemals im Alltag in die Situation, in der uns nur noch das Wissen um ein prädikatives Adjektiv geholfen hätte.

Stattdessen brauchen wir einen Steuerberater wenn das Finanzamt; und IT-Fachleute, wenn der Laptoplüfter pfeift. Wir müssen unsere Miet- und Arbeitsverträge von einem Rechtsbeistand angucken lassen und haben keinen Plan, wo die Zündkerzen am Auto sind. Aber wir haben Abitur. Ein Hoch auf unsere Bildung.

Und sonst so: Ich wollte mir heute ganz tapfer einen Termin für eine Darmspiegelung machen (kann ich auch nicht selbst! NIX kann ich!) und wunderte mich bei der Terminauswahl ganz kurz, ob ich mehrere Monate im Koma gelegen habe und warum mir das niemand gesagt hat. „Der nächste Termin ist im August“, sagte die Dame. „Oh, ich weiß nicht, ob ich so kurzfristig kann“, erwiderte ich. Humor ist offenbar nicht nur bei TÜV-Prüfern eher keine Kernkompetenz. Wie ich also mal dachte, das, ähem… Filmteam rücke noch dieses Jahr an – ich hatte ja keine Ahnung. Und das trotz Abitur.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Hüttenkäse mit Apfel, Gemüsemaultaschen überbacken und das obligatorische Käsebrot.

Gelesen: Den Rest von George Orwell’s Farm der Tiere. Beeindruckende Fabel, hat mich nachdenklich gemacht.

Gesportelt: I wish…

Gefreut über: Dass zwischen dem ganzen Frust über „wozu brauch ich das“ auch noch ein bisschen Motivation geblieben ist.

28/11/23 – Tag 42 – Von the same procedure und ganz neuen Jobmöglichkeiten

Ich

Ich gebe zu, die Überschrift verspricht ein bisschen mehr als ich halten kann. Ich habe keine ernsthaften neuen Jobwechselpläne (als die, die ich in schöner Regelmäßigkeit habe, nämlich, alles hinzuschmeißen und auszuwandern, aber ich bin bisher immer dageblieben). Allerdings tun sich mir, die ich ja grade unendlich viel Zeit habe, das Netz zu durchforsten, ganz neue Ideen auf. Gestern wurde mir die „Akademie für Waldbaden und Gesundheit“ vorgeschlagen, bei der ich mich zur Kursleiterin für Waldbaden ausbilden lassen könnte. Ein bisschen musste ich ans Jodeldiplom denken, da hätte ich dann was eigenes…

Einen Tag vorher stolperte ich über die „Zentralstelle für Ausbildung im Detektivgewerbe“ – klingt ein bisschen nach DDR-Geheimdienst, gibt’s aber wirklich. Vielleicht mach ich einfach beides und treibe mich später im Trenchcoat im hiesigen Forst herum. Aber vermutlich hab ich dann ruckzuck neue Probleme. Kann ich auch die alten behalten. Hab ich auch – habe mich heute dazu entschlossen, beim alten, neuen Arbeitgeber zu bleiben. Die Ermittlerei muss auf die Rente warten.

Und sonst so: Das Kind und ich sind immer noch positiv, dieser zweite Strich hält sich so hartnäckig wie Fliegendreck auf der Scheibe. Wir halten also tapfer weiter die Füße still und warten geduldig (haha) ab, wann sich was da was tut. Der Bauch immerhin hat heute 95 Prozent des Tages völlige Ruhe gegeben, ich hoffe, das setzt sich jetzt in die richtige Richtung fort. An der Schonung liegt’s jedenfalls nicht. Dass mir die Decke auf den Kopf fällt, ist vielleicht nicht unbedingt zuträglich, vielleicht spaziere ich morgen eine vorsichtige Runde um den Block. Oder ich geh Waldbaden. Unzertifiziert.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Müsli (gut gekaut), zwei Gemüsemaultaschen, einen Laugenknoten mit Käse und eine kleine Gurke.

Gelesen: Immer noch George Orwell.

Gesportelt: Neihein.

Gefreut über: Gesundheitliche Fortschrittchen und die gute Bionote des Kindes, die uns im Krankenlager erreicht hat.

27/11/23 -Tag 41 – Von langen Tagen und kurzen Geduldsfäden

Ich

Im Westen nichts Neues. Das Kind und ich fordern der Couch alles ab, was sie hergibt. Wir husten und rotzeln vor uns hin, die Tests sind nach wie vor positiv. Wir versuchen nach Kräften, uns an ihnen ein Beispiel zu nehmen.

Immerhin haben wir heute entdeckt, dass „Mit Schirm, Charme und Melone“ etwas ist, dessen Retrocharme und „Pow-Wow-Kampfszenen“ für Elfjährige nicht zu gruselig sind. Miss Peel hat einen kleinen Fan dazugewonnen.

Und immerhin haben wir heute entdeckt, dass offensichtlich doch die Firmenfeier am Donnerstag die Quelle allen Übels war – um die zehn Kollegen sind mittlerweile ausgefallen, alle mit sehr ähnlichen Symptomen. Egal, schon zu spät.

Und immerhin habe ich heute zwischen Mr. Steed und Ms. Peel noch etwas gefunden, was mir die Stunden verkürzt und die Schlappheit verdrängt: ich gucke „The Closer“ – eine herrlich zickige aber scharfsinnige Ermittlerin, die sich bei ihren männlichen Kollegen nicht immer Freunde macht. I feel you, girl.

Und immerhin … geht es uns nicht schlechter als gestern. Das allein scheint mir in diesen Tagen schon eine gute Sache. Wenngleich wir beide etwa mit derselben Geduldskompetenz an die Sache rangehn – nämlich keiner.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Hüttenkäse mit Banane und Honig, Orechiette mit Lachs, ein Laugenzöpfle mit Camembert.

Gelesen: Farm der Tiere

Gesportelt: krank, also nein

Gefreut über: Kekse, die uns ins Krankenlager geliefert wurden – Danke!

26/11/23 – Tag 40 – Von brummenden Köpfen und laufenden Nasen und dem Glück, ein warmes Zuhause zu haben

Ich

Wir hatten uns das Wochenende anders vorgestellt. Wie, weiß ich gar nicht, aber stundenlanges Herumliegen auf der Couch kam nirgends vor im Plan. Zu mehr war ich heute allerdings nicht fähig. Nachdem ich um halb vier im Kinderzimmer beim schnarchenden Nase-zu-Coronakind aufgewacht und in mein eigenes Bett gewackelt war, schlief ich nochmal bis halb acht. Eine Weile döste ich noch vor mich hin aber irgendwann fand ich keine Position mehr, die bequem gewesen wäre. Also gab’s erstmal Kaffee und Antibiotika. Der Husten, der mich gestern den halben Tag über geschüttelt hat, ist wie weggeblasen. Zumindest ist er nicht mehr so trocken. Dafür ist die Nase ein bisschen zu und der Kopf brummt. Auch das Kind klagt über einen dicken Schnupfen und Kopfweh. Unser Test heute Abend ließ keinen Zweifel offen: Die Corona-Striche waren noch vor den Teststrichen zu sehen, bei beiden. Also: Hausarrest für die Mädels im Haus. Immerhin hatte ich Lektüre: Von einer lieben Kollegin habe ich Orwell’s Farm der Tiere bekommen – irgendwie passt das total zur Laune grade.

Hätten wir keinen Streamingdienst, wäre ich heute Nachmittag übrigens ziemlich verzweifelt: Man hat sonntags die Wahl zwischen Wintersport, Hartz aber Herzlich oder Geschichten vom Führer (Hitlers Bauten, Hitlers Generäle, Hitlers Haustiere…). Ach ja, oder tschechischen Weihnachtsmärchen. Also … man hat keine echte Wahl. (Gestreamed hingegen: Das Tochterkind binged grade staffelweise „Scooby Doo“. Und ich „Mit Schirm, Charme und Melone“.) Aber ganz normales Fernsehen? Dann doch lieber Buchklassiker, die man schon lange mal gelesen haben wollte. Miss Peel geht jetzt zurück auf ihr Krankenlager. Bleibt gesund.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Der Hunger ist wieder da. Ein gutes Zeichen? Erst gab’s Hüttenkäse mit Banane, dann Karottengemüse mit Spätzle und Soße, dann eine Gemüsemaultasche als Nachmittagssnack, grade ein übriges Stück Pizza. Und zwei kleine Lebkuchen.

Gelesen: Orwells Farm der Tiere. Es ist beeindruckend.

Gesportelt: Haha. Nein. Vermiss es.

Gefreut über: Meine Couch, meinen warmen Ofen, meine Fernbedienung, mein Buch, meine Tasse Tee. Und dass der Bauch mehr und mehr Ruhe gibt.

25/11/23 – Tag 39 – Von sechs Strichen und ein paar Pinselstrichen

Ich

Manchmal spielt das Leben ein paar ein paar doofe Karten gleichzeitig. Seit gestern nehme ich Antibiotika und stelle fest (sehr erleichtert), dass die Bauchschmerzen nachlassen – das Stechen wird seltener und nimmt deutlich an Schärfe ab. Der Therapieansatz scheint also der Richtige zu sein. Vorhin fragte ich kurz Dr. Google, ob plötzlicher Reizhusten mit der Einnahme von Antibiotika einhergehen könnte. Denn seit heute morgen huste ich quasi in Dauerschleife, trocken, nervig. Ich habe nichts dergleichen gefunden. Um sicher zu gehen, dass es nicht auch noch Corona ist, testete ich vorhin. Der erste Strich erschien, der Rest blieb weiß. Nach einiger Zeit aber, kurz bevor ich ihn wegwerfen wollte, warf ich einen Blich drauf, und: Es war ein heller zweiter Strich zu sehen. Ich beschloss also, einen zweiten Test zu machen. Das symptomfreie Kind testete aus Solidarität mit. Und siehe da: Während ich noch meine Testkassette anstarrte, stieß die Kleine einen Schrei aus: Ihr Test war sofort deutlich positiv… Meiner nach wie vor erst nach 17 Minuten, aber im Gegensatz zu ihr, huste ich ja auch.

Damit ist jetzt erstmal so richtig Füße stillhalten angesagt. Vielleicht vertreibe ich mir die Zeit, je nach Wohlbefinden ja auch im Atelier. Dort waren wir heute mittag, nichtsahnend, die Mädels haben Kulissenbilder für ihr Theaterstück, ich habe mir ein Dekostück für meine Sportecke gemalt.

Und jetzt? Verkrümle ich mich auf die Couch und gucke die letzten Minuten Gottschalk, der offenbar in seiner letzten Show alle zotigen Altherrenwitze unterbringen will, die ihm noch einfallen. Und Matthias Schweinsteiger guckt zu.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Tatsächlich nicht so viel, der Appetit hat mir heute gefehlt. Wir haben Pizza gemacht, ich habe vier Stücke davon gegessen und grad noch eine Handvoll Nachos.

Gelesen: Internetdinge, nichts von Belang.

Gesportelt: Nein, aus guten Gründen.

Gefreut über: Das ist schwer heute. Aber die Mädels beim Malen zu erleben, war schon toll. Außerdem hatte das Gastkind seine Playlist laufen lassen, mit der ich durchaus gut klarkam. Offenbar habe ich den Musikgeschmack einer Elfjährigen. Oder halt doch Fieber.

24/11/23 – Tag 38 – Von doofen Terminen und doofen Menschen (und zum Glück ein paar Netten)

Ich

Gute Tage, schlechte Tage – der heutige zählt eher zur zweiten Kategorie. Da mich seit Wochen immer mal wieder ein Schmerz im Bauchraum begleitet, der sich verzieht, um zurückzukehren, machte ich mich heute morgen doch mal auf den Weg zum Doc. Zumal ich durch Zufall entdeckte, dass mein merkwürdiger Benommenheitsschwindel, der mich seit einiger Zeit verfolgt, ursächlich mit einer Darmentzündung zusammenhängen könnte. Der Doc tippt nun ebenfalls auf eine Entzündung und hat mir Antibiotika aufgeschrieben. Und mich zur Darmspiegelung geschickt – Dinge, die nun nicht grade vergnügungssteuerpflichtig klingen. Aber hilft wohl alles nichts.

Desweiteren habe ich mich heute endlich in anderer Sache dazu durchgerungen, für meine Belange einzustehen. Mit dem Ergebnis, dass ich von zwei Seiten erklärt bekommen habe, dass ich nichts zu fordern hätte. Argumentativ schlimmstes Mansplaining-Niveau und völlig am Anliegen vorbei, noch dazu unterm Deckmantel der Gerechtigkeit (als ob). Ich nehm das jetzt so hin und ziehe meine Schlüsse daraus. Manchmal muss man es so deutlich hören, um in Bewegung zu kommen.

Und sonst so: Zwei kleine Adventsausstellungen besucht und nette Gespräche bei Waffeln und Glühwein geführt, das Leben könnte schon unkompliziert sein, wenn’s ein paar zensiert weniger gäbe.

Jetzt wollen wir hoffen, dass der Bauch sich beruhigt, bis dahin halt ich mal die Füße still.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Frühstück ist ausgefallen wegen eines Nageltermins um 8, mittags gabs Nudel-Gemüse-Pfanne, abends das Camembert-Brot.

Gesportelt: nope, weil aua.

Gelesen: Dr. Google ist keine gute Lektüre, ich sag’s nur.

Gefreut über: die netten Gespräche heut mit so vielen Menschen.

23/11/23 – Tag 37 – Von seltsamen Outfits und dem Kontrollverlust

Ich

Was man nicht alles tun muss, wenn man sichtbar ist – manchmal geht’s mir wie dem Pumuckl. Am Mittwochabend erreichte mich die (augenzwinkernde) Anweisung meiner Kollegen, Dresscode für die Firmenweihnachtsfeier sei ein „Ugly Christmas Sweater“. Ich bin ja durchaus teamfähig, also beschloss ich, den Vormittag zu nutzen, meine Garderobe um ein solches Stück zu erweitern. Und was soll ich sagen – im Kaufhaus meines Vertrauens stand ich kurze Zeit später vor einer liebevoll dekorierten Weihnachtsecke, die gut bestückt war mit rot-grün-weißen Grauslichkeiten. Da mir mein von der Idee durchaus begeistertes Tochterkind schon vorab online gezeigt hatte, welchen Pulli sie von mir dann am Tag drauf gerne erben würde, wusste ich also zumindest ungefähr, wohin die Reise gehen soll. Just, als ich mit den ersten beiden Rentier-Exemplaren aus der Umkleide an den Ständer zurückkam und das Lebkuchenmann-Modell in meiner Größe holen wollte, standen dort zwei Damen, die sich köstlich über die Pullis amüsierten. „Wer sowas trägt, hat auch die Kontrolle über sein Leben verloren“, sagte die eine kichernd zur anderen, als ich an ihr vorbeiging und demonstrativ zwei Pullis zurückhängte und unter betretenen Blicken einen dritten von der Stange nahm. Pah.

Und so kam es, dass ich vor der Aufgabe stand, einen roten Pulli mit Lebkuchenmann-Motiv zu einem Outfit zu machen. Nachdem ich alles mögliche probiert hatte, entschied ich mich schließlich für die sichere Bank – Lederhose und Highheels dazu, Lebkuchenmann meets Louboutin. Und siehe da – ich war immerhin in guter Gesellschaft. Gemeinsam mit vier Kollegen waren wir das optische Highlight der Feier. Oder wie meine Kollegin sinngemäß sagte – wer nicht auffällt, war auch nicht da.

Weil ich erst kurz nach eins zu Hause war, verzögerte sich diese Sendung um ein paar Stunden. Man möge mir verzeihen. Aber wer Weihnachtspullis trägt, hat ja eh die Kontrolle verloren.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Hüttenkäse mit Blaubeeren, Gnocchi mit Tomatensoße, abends gabs allerhand Köstliches vom Buffet, darunter Asia-Nudeln.

Gelesen: Deutschhausaufgaben und ein paar Seiten „Melody“.

Gesportelt: 23 Minuten Bodyweight, 10 Minuten gerudert, 1km gelaufen.

Gefreut über: Den schönen Abend und die besten Kollegen, die man haben kann.

22/11/23 – Tag 36 – Von Puzzlestücken, Erfolgserlebnissen, guten Nachrichten und Balboas Erbin

Ich

Während ich mit müden Armen diese Zeilen tippe, läuft der Soundtrack zu „Rocky“ im Hintergrund. Aus Gründen. Während ich gestern Abend mit einem tiefen Seufzer die Decke über die Ohren gezogen habe, begleitet von einem Stoßgebet zum Himmel, dass sich die vielen Unklarheiten bitte fügen mögen, wachte ich nach sechseinhalb durchgeschlafenen Stunden wieder auf und war sofort hellwach. Ich jagte begleitete das Kind zum Bus und machte mich auf, mit einer Freundin die Morgenrunde zu laufen. Im Nieselregen und im Wind, aber wir sind ja nicht aus Zucker. Ihr erzählte ich noch einmal von all den Querelen, vom Schulstress, dem Aua-Zeh, dem fehlenden Vertrag und und und. Bevor ich daraus jetzt eine langatmige Story mache: Die Nachricht aus dem Krankenhaus war eine Gute, der Zeh braucht Geduld, darf aber dranbleiben. Auch das mit dem Vertrag hat sich geklärt, er ist auf dem Weg zu mir. Und dann schrieb das Kind, das heute bibbernd jene Englischarbeit zurückerwartete, für die wir nach dem verhauenen Test so viel gelernt hatten per whatsapp: „2-3“. Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie viele Steine mir vom Herzen gefallen sind. Vor allem ihrem Selbstvertrauen hat das gut getan. (Und meinem auch ein bisschen, man will ja, dass das Kind irgendwie glücklich ist).

Mein absolutes Highlight war allerdings etwas anderes: Ich habe heute morgen zum ersten Mal in meinem Leben rote, dicke Boxhandschuhe angezogen (bekommen) und auf Bratzen eingeschlagen. Ich hatte mir eine Probestunde bei einem Coach gebucht, weil ich das Thema Selbstverteidigungskurs bzw. Fitness- und Krafttraining schon lange einmal angehen wollte. Es schien mir, wir ein Puzzlestück, das zu meiner Persönlichkeit gehört und endlich an die richtige Stelle gelegt werden will.

Wie viel Spaß die Sache macht, ahnte ich allerdings nicht. Auch nicht, wie sauanstrengend das Ganze ist. Nach einer Stunde konzentriertem rechts-links-ducken war ich absolut durch. Nicht nur körperlich, auch mental. Anscheinend habe ich mich aber gar nicht so doof angestellt, der Trainer fragte mich mehrfach, ob ich das wirklich zum ersten Mal mache.

Als ich wieder im Auto saß, völlig geflasht von dem Erlebten, wurde mir eines bewusst: Wir sollten viel öfter mal beiseite schieben, wer wir glauben zu sein. Und andere Entwürfe von uns selbst zulassen. Wie ein Kleid, das man im Geschäft vor dem Spiegel am Bügel vor sich hält. Wenigstens mal in der Theorie anprobieren, welche Rolle das Leben für uns noch parat halten könnte. Raus aus der Schublade, in die wir uns selbst stecken. Zu alt ist man nie, sich neu zu erfinden, neu zu entdecken, weiterzuentwickeln. Im Gegenteil, vermutlich macht uns Stagnation eher alt.

Mir hat es heute unglaublich gut getan, über meinen Schatten zu springen und auf die Bratze eines bis dato Unbekannten einzudreschen. Ich habe ein Ich in mir, das bisher hundertmal eher einen Zumba-Kurs gebucht hätte als über Kampfsport nachzudenken. Aber das andere Ich durfte eben heut mal der Bestimmer sein und siehe, es war gut. Ich bin so froh, mir diesen Schritt zugetraut zu haben.

Ich habe diese Stunde für mich jetzt im zweiwöchigen Turnus gebucht, montags um acht. (Allein der Termin ist doch Knaller, wie kann eine Woche bitte besser starten, als damit, sich mit Boxhandschuhen erstmal so richtig auszutoben?!) (Ach ja, das mit dem Sixpack habe ich auch angesprochen – auch das kriegen wir hin, versprach der Coach. Ich sagte doch, ich mach keine halben Sachen.)

Und sonst so? Wie ich gerade glaubte, mein Leben auf die Kette zu kriegen, ereilte mich die Nachricht, dass es für die morgige Verlags-Weihnachtsfeier einen Dresscode gebe. Nicht etwa das kleine Schwarze. Sondern: „Ugly Christmas Sweater. Verbindlich.“ Da waren sie wieder, meine drei Probleme

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Frühstück ist vor lauter komplett ausgefallen – fiel mir irgendwie mitten in der Boxerei auf, aber da war an Essen nicht zu denken. Mittags gabs vegetarisches Sushi und gefüllte Teigtaschen, heute Abend eine Brezel mit Thunfischsalat und zwei Hände voll Chips. Auf diesen Tag. Das mit dem Obst und den Vitaminen ist morgen wieder dran.

Gelesen: Die Englischarbeit des Tochterkinds, Dies und Das im Netz.

Gesportelt: Eine Stunde mit dem Coach kreuz und quer über die Matte. Nach dem Duschen daheim fragte ich mich, seit wann der Föhn zehn Kilo wiegt.

Gefreut über: Etwas Neues entdeckt zu haben, das irre Gefühl nach einer Stunde im Flow, natürlich die gute Nachricht vom Zeh und die gute Englischarbeit.

21/11/23 – Tag 35 – Von Hiobsbotschaften und dem Glück des Gehens

Ich

Als ich gestern Abend die Brotdose aus dem töchterlichen Schulranzen holte, fiel mir ein Blatt voller Matheaufgaben in die Finger – mit Namen beschriftet. Ich hatte eine Ahnung. Eine, die sich heute morgen beim Nachfragen bestätigte: „Ja, ich soll da nochmal üben, hat Frau Plusminus gesagt“, erfuhr ich. Aus Gründen wohl. Jetzt bin ich gespannt aufs Ergebnis der Mathearbeit…

Ich nahm es hin, ändern lässt es sich nun eh nicht mehr. Und das an einem Morgen um sieben, nach einer Nacht, in der ich zu wenig geschlafen und wirres Zeug geträumt hatte, erschüttert aufgewacht bin und einen Moment gebraucht hatte, den Traum als ebensolchen zu erkennen. Ich setzte das Kind an der Schule ab und machte mich nach über einem Monat wieder auf in die Redaktion. Dort, so hatten die Kollegen gestern berichtet, warte ein neuer Arbeitsvertrag auf mich. Um halb acht Uhr morgens wartete ansonsten dort niemand auf mich, da war ich mir sicher.

Ich atmete den vertrauten Geruch des Hauses ein, huschte die dunklen Treppen hinauf, den Gang entlang. Ein bisschen fühlte ich mich wie ein Einbrecher, der lautlos durch die Räume wandelt. Ich fuhr den Rechner hoch und suchte – aber mein Vertrag war nicht gekommen. Etwas ratlos saß ich noch eine Weile vor dem hellen Bildschirm und starrte aufs leere Postfach. Dann beschloss ich, den Kollegen wenigstens noch ein Frühstück zu besorgen, fuhr zum Bäcker und noch einmal in den Verlag. Und dann nach Hause. Dort saß ich mit meinem Pain au chocolat in der Küche und grübelte vor mich hin. Und fasste nach einer halben Stunde den Entschluss, das zu tun, was ich immer tue, wenn die Endlosschlaufe in meinem Kopf nicht aufhört: mich zu bewegen.

Ich zog mich an und lief stumpf in eine Richtung, bis sich daraus der Plan kristallisierte, meinem Mann zur Arbeit entgegenzugehen, auf dass er mich mittags auf dem Heimweg wieder mitnehmen würde. Zwischendurch erreichte mich die Nachricht, dass mein Paps erneut einen Termin in der Klinik braucht, um eine Wunde begutachten zu lassen. Er hat vor zwei Jahren einen Zeh verloren, wir hoffen alle sehr, dass es bei dem einen bleibt. Aber auch das addierte sich selbstredend zum Grübelberg.

Also lief ich. Weil das Kind sich an den neuen Schulalltag gewöhnen muss, weil Noten eben auch nur Noten sind, weil sie Halt und Sicherheit grade mehr braucht als Druck und Geschimpfe und weil man den Dingen auch einfach mal vertrauensvoll ihren Lauf lassen muss. Ich lief, weil ich weder Ärztin noch sonstwie medizinisch versiert bin und drauf vertrauen muss, dass Menschen mit mehr Fachwissen die Wunde richtig einschätzen und adäquat behandeln. Morgen wissen wir mehr. Ich lief, im Vertrauen darauf, dass mein Vertrag schon noch kommt und dass sich alles findet. Ich lief über zwei Stunden lang.

Elfeinhalb Kilometer später ließ ich mich aufgabeln. Mit einem besseren Gefühl. Das mit dem Vertrag hatte sich sogar schon auf dem Weg geklärt. Auch hier: morgen wissen wir mehr.

Gehen, laufen zu können, ist ein Segen. Einen Körper zu haben, der einen jederzeit über Berge trägt, bedeutet auch, einer Seele ein Zuhause zu geben, die Täler durchsteht. Das eine hängt untrennbar mit dem anderen zusammen.

Als das Kind heute heimkam, berichtete es von einer gut gelaufenen Bioarbeit und war wieder aufgemuntert. Und ich wieder gelassener. Alles auf Anfang also, durchatmen, weitermachen. Morgen ist ein neuer Tag, mir reicht’s mit den Hiobsbotschaften für den Rest der Woche aber allemal.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Ein Pain au chocolat, einen Teller Fussili mit Lachssahnesoße, einen Salat und ein Stück Tiramisu, heute Abend ein Müsli mit Kaki.

Gelesen: Wegschilder. Und Aufmunterndes über den oft holprigen Start kleiner Gymnasiasten.

Gesportelt: 11,5 km gewandert, das gilt auch.

Gefreut über: Dass Dinge sich fügen und lösen, dass Träume nicht real sind, dass ich einen Körper habe, der mich durchs Leben trägt. Ain’t nobody got time for mimimi.