Ich
So, Hefte raus, wir schreiben einen Test: Wer von Euch weiß, was ein attributives Adjektiv ist? Schmitz? Nein? Setzen. Ein prädikatives? Niemand? Ein adverbiales? Was ist der Numerus, Genus, Kasus des Nomens im Satz „Das Laub der drei Eichen lag dürr am Boden? LEUTE! Das ist Grammatikgrundwissen, Klasse fünf! Wie hieß es in der Aufgabe des Tochterkinds: „Vor lauter Schreck verschluckt Antonia ein Bonbon“ – Ich weiß nicht, wer diese Antiona ist, aber I feel you girl.
Nix gegen höhere Bildung. Wer die höchste Schule im System besucht, muss sich mit komplexen Aufgaben auseinandersetzen können und wollen. Aber wie an der Lebenswirklichkeit vorbei ist es bitte, wenn man von Elfjährigen erwartet, dass sie lateinische Fachbegriffe für grammatikalische Sachverhalte gerne lernen wollen? Und ist dieses „gerne lernen wollen“, das als wunderbarer Motor funktionieren könnte, nicht im Grunde in den Kindern verankert? Und wir machen es von Anfang an kaputt, indem wir den jungen Menschen Dinge vorsetzen, die sie mit Mühe auswendiglernen aber in der Kürze der vorgesehenen Zeit nur halb verstehen und dann sehr schnell und sehr gerne wieder vergessen?
Es ist weder für das Kind, noch für den, der mit ihm lernt, schön, die Frustration zu spüren, die sich von der ersten Stunde an ohne Not breit macht. Ich fühle mich am Ende der Hausaufgaben wie ein fucking Latein-Wörterbuch. Nichts gegen die Lehrer, die sicher nach Kräften versuchen, die Vorgaben umzusetzen. Aber möglicherweise wäre es hilfreich, in der Lebenswirklichkeit der Kinder anzusetzen und in der kommt die rein theoretische Kenntnis vom Unterschied zwischen prädikativen, adverbialen und attributiven Adjektiven schlicht nicht vor.
Ich mache beruflich was mit Sprache und habe aus Interesse heute zwei Kolleginnen gefragt, ob sie erklären könnten, welche Adjektivform was bedeutet. Ihnen ging’s wie mir – sie wussten’s nicht. Auch ich musste erstmal googeln. Was zeigt uns das? Wir haben alle drei Abitur und arbeiten im selben Berufsfeld. Unser Deutsch ist grammatikalisch sicher sehr passabel und auch ansonsten gehen wir ganz solide durchs Leben. Aber niemalsnicht kamen wir jemals im Alltag in die Situation, in der uns nur noch das Wissen um ein prädikatives Adjektiv geholfen hätte.
Stattdessen brauchen wir einen Steuerberater wenn das Finanzamt; und IT-Fachleute, wenn der Laptoplüfter pfeift. Wir müssen unsere Miet- und Arbeitsverträge von einem Rechtsbeistand angucken lassen und haben keinen Plan, wo die Zündkerzen am Auto sind. Aber wir haben Abitur. Ein Hoch auf unsere Bildung.
Und sonst so: Ich wollte mir heute ganz tapfer einen Termin für eine Darmspiegelung machen (kann ich auch nicht selbst! NIX kann ich!) und wunderte mich bei der Terminauswahl ganz kurz, ob ich mehrere Monate im Koma gelegen habe und warum mir das niemand gesagt hat. „Der nächste Termin ist im August“, sagte die Dame. „Oh, ich weiß nicht, ob ich so kurzfristig kann“, erwiderte ich. Humor ist offenbar nicht nur bei TÜV-Prüfern eher keine Kernkompetenz. Wie ich also mal dachte, das, ähem… Filmteam rücke noch dieses Jahr an – ich hatte ja keine Ahnung. Und das trotz Abitur.
Die Kurznachrichten des Tages:
Gegessen: Hüttenkäse mit Apfel, Gemüsemaultaschen überbacken und das obligatorische Käsebrot.
Gelesen: Den Rest von George Orwell’s Farm der Tiere. Beeindruckende Fabel, hat mich nachdenklich gemacht.
Gesportelt: I wish…
Gefreut über: Dass zwischen dem ganzen Frust über „wozu brauch ich das“ auch noch ein bisschen Motivation geblieben ist.