Heut mal nichts erlebt, auch schön

Bevor ich heute zugebe, mal nichts erlebt zu haben (frei nach Mozart), ein dickes Danke an Euch für die vielen lieben Reaktionen zum Rumpelstilzchen auf diesem und anderen Kanälen. (Und die vielen kreativen Vorschläge, wie man mit der Situation umgehen könnte (wie seid ihr denn druff?! 🙂 ) . Ohne näher darauf einzugehen: Nein, ich kenne Vito Corleone leider nicht persönlich, ich vertraue stattdessen voll und ganz aufs Karma.) Und weil auch das einige wissen wollten – nein, ich kenne auch den Herrn nicht persönlich, weiß aber, dass er knapp 80 Jahre alt ist. Alter schützt offenbar vor Torheit wirklich nicht.

Haken wir’s ab bis zur nächsten Mail-Welle. Stichwort Welle: Heute war aus Gründen dringend ein Tapetenwechsel fällig. Und weil es im Umkreis von 100 Kilometern wohl überall regnete, war es ziemlich egal, für welche Tapete wir uns entscheiden und so fiel die Wahl auf den Bodensee, denn da ist sogar der Regen ein bisschen schöner als anderswo. Es war nass, es war kalt, wir waren nach einer halben Stunde spazieren und Steine sammeln echt durchgefrostet. Aber es hat gut getan. Und die Aussicht auf Frühling und Camping pusht ein bisschen und hilft beim Durchhalten.

Ansonsten – durchgeschlafen, schräg geträumt, Süddeutsche vom Wochenende bei Kaffee und Zimtbrötchen (die waren vom Bäcker und unfassbar lecker, hat da jemand zufällig ein erprobtes Rezept zum Nachbacken?) gelesen (länger gelesen als der Kaffee reichte), online auf dem Sofa unvernünftig viel Geld für eine Jacke ausgegeben (aber Armani! Im Sale! Daumen drücken, dass sie jetzt auch passt!) und aus Gründen (grumpy old men) ein neues Shirt-Design gemacht und in den Spreadshirt-Shop hochgeladen, Gemüsecremesuppe aus Resten gekocht, über den Essensplan für nächste Woche gegrübelt (laut Mann und Tochter gibt es dreimal „egal“ und zweimal „irgendwas leckeres“, nun denn) und beim schnellen Aufräumen das Kind gebeten, doch noch einmal GRÜNDLICH nach herumstehendem Geschirr im Kinderzimmer zu gucken (aus „nö nix“ wurden zwei Becher, zwei Teller, ein Glas, eine gammelige Blumenvase und das lang als verschollen geltende Tafelsilber der Verlobungsfeier von Queen Elizabeth).

Blöderweise hat das Homeschooling bei uns ganz neue Nebeneffekte erzeugt: Mein echter Biorhythmus ist zum Leben erwacht und möchte gar nicht, dass ich um elf müde ins Bett falle. Er möchte, dass ich bis nach Mitternacht aufbleibe, mit wachsendem Tatendrang übrigens, und dafür morgens länger liegen bleibe. Was zur Folge hat, dass ich den Mann jetzt Abend für Abend „überlebe“ und feststelle, dass man im Free-TV auch nach 22 Uhr nur die Wahl zwischen „Das waren Hitlers Haustiere“ (N24), „Super-Action-Kill-Anyone“ (RTL2) oder Corona-Diskussionen (überall sonst) hat.

Aber ich habe eine ganz großartige Alternative gefunden: Den Amazon-Podcast „Die schwarze Akte“. Da gibt’s mittlerweile 37 Folgen, ich bin bei Folge vier, habe also noch ein beruhigendes Polster für ein bisschen mehr Lockdown. Also, auf in eine neue Woche!

Neues vom Rumpelstilzchen

Neulich in meinem Postfach:

„Hab‘ ich’s doch geahnt, werte Frau ‚Kommmmmentatorin‘, Sie können sogar mal was Vernünftiges absondern!“ Es folgt ein zweifelhaftes Lob für einen Artikel. Und dann wieder der Rückblick auf einen Text, der mittlerweile Wochen alt ist, aber offenbar immer noch schmerzhaft für ein paar gewesen sein muss: „Das war unterirdisch , unsäglich, unerträglich, unzumutbar uns letztlich  völlig unnötig !!!! Wem hat DAS was gebracht ????????????????? Wer wollte/sollte sowas überhaupt wissen ????????? Wer hat Sie dazu angestiftet und warum ??????????? SUMMA SUMMARUM:    CUI  BONO ???“

Cui bono, gutes Stichwort: Wem nützt es? Nun, offenbar betreibt mein glühender Fan selbst Seelenhygiene, in dem er mir trotz deutlichen Verbots meines Verlegers immer wieder mailt. Morgens um zehn, nachts um halb vier, spätabends, wann immer es ihn geistig drückt. Formulierungen wie „ich weiß, dass Sie in xy wohnen, kümmern Sie sich doch einfach gut um Ihre Familie“ oder „es war dieser eine Schritt zu viel, denn er hat  einige Schlafende Hunde geweckt, die nun unausweichlich, unaufhaltsam und ungebeten kommen werden …..“ sind übrigens, so empfindet es die Justiz, nicht als Bedrohung zu sehen.

In meinem Beruf, so sagt die Staatsanwaltschaft, sei ein solcher Zeitgenosse zwar lästig in Art und Anzahl der Mails, eine Gefahr stelle er jedoch nicht dar und auch als Stalking sei dies noch nicht zu werten. Unter Kollegen gilt die goldene Regel, zeig mir, wie viele Ausrufe- und Fragezeichen du verwendest, und ich sage dir, wes Geistes Kind du bist. Der hier spielt in einer ganz eigenen Liga.

Nun gibt es zwei Arten, damit umzugehen. Entweder, ich lösche diszipliniert meinen Spamordner, in dem der Herr ohnehin landet, ohne in die Mails hineinzusehen. Oder, und ich bekenne mich zur pathologischen Neugier, ich dokumentiere das Geschwurbel, damit ich mich nicht so allein nicht ärgern nur wundern muss.

Natürlich hält man so etwas aus. Und natürlich stehen wir mit unserem Beruf in der Öffentlichkeit. Natürlich passieren uns Fehler, die wir transparent aufzuarbeiten haben. Das gehört einfach zur Sorgfaltspflicht. Nur die Spinner, vor denen warnt einen keiner. 😉

Bei all der Wut, die mir ins Postfach schwappt, geht es wohlgemerkt aber nicht um einen handwerklichen Fehler, sondern schlicht darum, dass das Ergebnis meiner Recherche ein anderes war, als ein paar Leute gedacht hatten. Und weil „was nicht sein darf auch nicht sein kann“, bin ich jetzt Schuld an allem. Immerhin gesteht er mir eine Fortsetzung meiner Arbeit zu, wenn auch mit wenig Euphorie:

„Schreiben Sie ruhig weiter !!! Ihnen glaubt ohnehin kein Schw……… mehr.“ Und: „Aber vielleicht hat Ihnen Ihr Hetzartikelchen wenigstens eine Gehaltserhöhung eingebracht, ich wünsche es Ihnen, wobei dahingestellt sein soll, WER Sie eigentlich bezahlt, bzw. für solch ein  PAMMPFLEHT auch noch Geld ausgibt. Mein J. B. aus H. meint jedenfalls, dass jeder, der für SOWAS auch nur 1 Eurocent berappt, nur noch mit dem  Klammerbeutel gepudert  sein kann. Aber das ist jetzt ja SEINE Meinung. Ich muss ihm da aber ganz entschieden widersprechen und behaupte dann genau das exakte Gegenteil.“

(Ja, ich gebe zu, hier bin ich geistig ausgestiegen wer es jetzt wann richtig findet, wofür Geld auszugeben und weswegen mit dem Klammerbeutel gepudert gehört und wer dem entschieden widerspricht. Im Übrigen, Grüße an jenen ominösen JB, so lange es nicht James Bond persönlich ist, möchte ich ihn nicht kennen lernen.)

Schreibern Sie ruhig weiter für diese Zeitung, doppelt viel sogar, weil dort und auf solchen Seiten liest MICH jedenfalls so schnell kein Schwanz mehr, mit einer derartigen MEINUNGSBILDUNGSMA(S)CHE will ich aber auch gar nichts mehr zu tun haben.

Diesen Tipp nehme ich mir freilich zu Herzen. Ich „schreibere“ weiter, ich verdiene mein Geld damit und habe große Freude an meinem Beruf. Mehr Ätsch geht ja auch gar nicht. Ich beschränke mich dabei aber für die Zukunft wirklich auf meine Arbeit und beantworte die Mails nicht mehr, denn jede Antwort meinerseits löst eine Lawine an (immer ähnlich lautenden) Antworten seinerseits aus. Einmal hatte ich jenen Herrn, der früher von Berufs wegen Schreibfehler mit dem Rotstift ahndete, darauf aufmerksam gemacht, dass er meinen Namen falsch schreibt. Ich bekam drei Mails zurück, unter anderem die:

„Und wenn Sie sich überhaupt nicht mit ‚K‘ schreiben, es ist mir schönegal:    SOLANGE JEMAND SO EINEN  ……. ABSONDERT, WÜRDE ER AUS  M E I N E M  TEAM  R A U S G E F L O G E N   S E I N !!!!!!! „

Und die: „ist auch völlig schnurzpiepegal, ich will einfach nichts mehr von Ihnen zu Gesicht bekommen, ganz egal, ob mit ‚c‘ oder ohne. Und Leserbriefe bekommt Ihr ‚Organ‘ auch nicht mehr von mir. Jedenfalls nicht, so lange Sie sowas absondern dürfen.“

In diesem speziellen Fall geht der Cui-Bono-Punkt also eindeutig an mich, jeder Spinner, der von sich aus die Zusammenarbeit aufkündigt ist einer weniger (Erzähler: Er sollte sich natürlich nicht an seine Versprechen halten.) Beunruhigt allerdings hat mich, dass ich mich selbst um die Mitgliedschaft in einem Team gebracht zu haben scheine, von dessen Zugehörigkeit ich gar nichts wusste. (Und ich staune über die Zeitform, was ist das, Futur 2 im Konjunktiv? Wenn es nicht so rumpelstilzchenhaft wäre, hätte ich gelacht gehabt.)

Und apropos Rumpelstilzchen, eines noch:

„Mit äußerster Verärgerung, maßloser Empörung und rot beschlagener Brille musste ich zur Kenntnis nehmen, was Sie hier wieder einmal in (angeblich mehr als 30 000-facher Auflage) abgesondert haben bzw. verbreiten durften. Angesichts Ihrer unglaublicher Anmaßung, Ihrer ganz evident unwahren Behauptungen (LÜGENPRESSE) und – ich muss Ihnen das hier einmal sagen – FRECHHEITEN  bleibt mir jetzt nur noch eines:           FREMDSCHÄMEN.“

Und Schämen, da mag ich jetzt gar nicht widersprechen, ist etwas, was diesem Herrn ausnahmsweise gut zu Gesicht stünde. Wegen mir auch mit rot beschlagener Brille.

Lasst uns übers Essen reden

Neulich während des Online-Italienisch-Kurses: Mein Mann schiebt mir ein Duplo zu, als Nervennahrung, als Zuckerdoping, als süße Belohnung für so viel geistige Arbeit am Abend (er kann echt lieb sein). Direkt an der Laptop-Kamera vorbei, so dass es alle gesehen haben (er kann auch echt eine Ratte sein). Prompt kommt die unausweichliche Frage auf: „Gehörst du etwa zu denen, die alles essen können, ohne zuzunehmen?“ Und was soll ich sagen außer der Wahrheit? Stimmt.

Ich halte mein Gewicht seit ich denken kann. Ich habe in der Schwangerschaft zwischen neun und zehn Kilo zugenommen und danach 14 ab. Das ist jetzt acht Jahre her und ändert sich auch nicht. Sprich, ich wiege heute konstant zwischen 50 und 52 Kilogramm und bin 1,60 m groß (daran ändert sich wohl auch nix mehr, wa).

Wer jetzt aber denkt, ich würde diszipliniert nach irgendwelchen Regeln essen und auch nur ganz wenig, den muss ich enttäuschen. Ich liebe Essen! Ich zelebriere Essen. Essen ist für mich etwas sehr Sinnliches und etwas völlig anderes, als reine Nahrungsaufnahme. Vor allem das Mittagessen ist für mich etwas Heiliges. Schuld daran ist meine Mama, denn ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem es in meiner Kindheit kein warmes, gekochtes Mittagessen gegeben hätte. (Danke Mama, es hat mich wirklich geprägt.)

Gebackener Feta (unsichtbar versteckt unter Gemüse)

Während ich kein großer Frühstücker bin und morgens allenfalls ein Schokomüsli mit etwas griechischem Joghurt und frischem Obst esse, ist das Mittagessen elementar wichtig. Es ist ein Highlight des Tages für mich und ich freue mich wirklich jeden einzelnen Tag darauf. Außerdem teilt es den Tag sinnvoll in vor-dem-Essen (Vorfreude pur!) und nach-dem-Essen (Glücksgefühl pur!). Essen ist für mich Kultur. Dazu gehört, sich hinzusetzen und aus Porzellantellern oder Schalen mit Besteck zu essen.

Ganz furchtbar ist für mich „was vom Bäcker“. Wisst ihr, was ich meine? Ein trockenes, mit Billigkäse überbackenes Brötchen oder eine Schnitte mit wasweißich oder ein kaltes Stück Pizza ist für mich kein richtiges Essen über Mittag. Klar gibt es auch Bäcker, die mittlerweile ganz appetitliche Salate anbieten, aber auch die isst man meist notgedrungen am Schreibtisch aus der Plastikschale. Das.ist.kein.Essen. Das ist allenfalls eine Notlösung. Und die macht mich nicht glücklich.

Da ich zur Zeit im Homeoffice bin, habe ich ja aber nun jeden Tag die alleinige Verantwortung, etwas Gutes zu kochen, und glaubt mir, das ist für mich einerseits natürlich Pflicht, aber andererseits auch eine großartige Möglichkeit, genau das zuzubereiten, worauf ich Lust habe. Keine Abhängigkeit von den Ideen anderer oder der Karte eines Restaurants. Was mir im Lauf der Zeit klar geworden ist – Spontaneität ist toll, aber in der Küche ratlos vor den Vorräten zu stehen und nicht zu wissen, was man daraus kochen soll, ist nur so mittelspannend. (Ich kann zum Glück kochen und es gibt immer was, und in 95 Prozent der Fälle ist das auch lecker, aber:) Es geht nichts über einen groben Plan.

Bunte Pizza (mit Salami für die Omnivoren 😉 )

Da ich montags und Freitags frei habe, ergibt sich zwischen Freitag und Montag ein sehr langes Wochenende. So kaufe ich in der Regel Freitags ein und es reicht bis mindestens Montag für vier warme Mahlzeiten. Montags geh ich dann nochmal und es reicht wieder bis Donnerstag.

Grundsätzlich bin ich ein sehr intuitiver Esser. Ich esse, wann immer ich Hunger habe und dann auch, worauf ich Lust habe. Und zwar genau so viel, bis ich genug habe. Wer sich mit Essstörungen beschäftigt, stellt schnell fest, dass den Betroffenen ein normales Verhältnis zur Ernährung abhanden gekommen ist. Essen wird dabei eine andere Funktion zugeordnet, als es eigentlich hat. Essen wird zur Belohnung, zum Ersatz für Zuwendung, Essen wird dazu benutzt, sich zu bestrafen, entweder weil man es in sich hineinstopft und sich damit bewusst schadet, oder weil man es sich verkneift und sich damit ebenso schaden.

Brotsalat

Keine Essstörung aber eine bedauerliche Sicht aufs Essen ist die Tatsache, dass für manche essen einfach bedeutet, das Hungergefühl zu beseitigen und den Bauch zu füllen. Dabei ist Ernährung ein sehr elementarer Teil unserer Existenz. Unser Körper erneuert täglich Zellen und regenriert sich, und das kann er nur mit dem tun, was wir ihm geben. (Menschen, die ihr Auto an der Tankstelle mit Super-Speed-Deluxe-Kraftstoff betanken, aber selbst gedankenlos Chemie-Convenience-Zeug in sich reinschaufeln, weil „man isst’s ja bloß“… )

Was gesundes Essen ist, weiß der Spur nach jeder. Fastfood, Burger, Hähnchennuggets und Softdrinks eher nicht, Gemüse, Obst und unverarbeitete Lebensmittel eher schon. Esse ich also niemals Burger und Pizza? Doch. Aber halt nicht oft. Und wenn, dann am liebsten selbstgemacht. Das Auge isst schließlich mit.

Selbstgemachtes Slow-Fast-Food

Ich esse wie oben schon beschrieben immer das, wonach mir ist, weil ich davon überzeugt bin, dass mein Körper weiß, was ich brauche. Und wenn er findet, dass ich eine große Portion Pommes brauche, dann wird er schon seine Gründe haben. Meistens findet er jedoch eher, ich könnte einen schön angerichteten Obstteller brauchen. Vielleicht habe ich einfach das Glück, dass ich gesunde Sachen liebe.

Ich verzichte deswegen aber nicht auf Fett und zähle keine Kalorien und die Waage im Bad wird hauptsächlich von anderen Familienmitgliedern konsultiert. So lange meine Jeans alle passen, ist wohl alles ok.

Einzige Herausforderung beim Kochen: Die Familie und ich sind nicht bei allen Lebensmitteln und ihrem Grad der Leckerheit (is that a word?) der selben Ansicht. Ich zum Beispiel liebe Oliven und Kapern, Kichererbsen und Kürbis, Grünkern und Graupen. Der Mann mag all das nicht unbedingt (isst es aber tapfer), das Kind liebt Kürbis, aber stochert im Rest eher lustlos herum. Und das Ding ist ja: Ich predige, wie heilig das Mittagessen ist, also kann ich auch nichts auf den Tisch stellen, was für den Rest eher eine Strafe ist.

Da ich komplett auf Fleisch verzichte, essen wir übrigens alle vegetarisch, jedenfalls mittags. (Nein, darüber gab es nie Diskussionen) Manchmal gibt es aber Fisch oder Garnelen oder Shrimps. Am Wochenende wird je nach Programm aufwendiger gekocht oder auch mal auswärts gegessen oder bestellt (so es denn geht).

Unter der Woche muss es dagegen meistens schnell gehen. Ich suche aus nach Jahreszeit, im Winter Rosenkohl und Ackersalat, im Sommer Tomaten und Freilandsalate, lieber regionale Äpfel als Birnen aus Südafrika, you get it. Wenn es irgendwas in Bioqualität gibt, bevorzuge ich das, kaufe im Zweifelsfall aber lieber Kulturchampignons aus Deutschland, als Bio-Kräuterseitlinge aus Japan.

Neulich hatte ich Lust, eine Gemüsebrühe zu kochen. Weil ich keine Gemüserest hatte, verarbeitete ich frische Karotten, Stangensellerie, Zwiebeln, Zucchhini, Knoblauchzehen und Lauch. Während des Kochen stiegen köstliche Düfte aus dem Topf und plötzlich hatte ich Mitleid mit dem Gemüse, das da schon eine gute halbe Stunde in der Brühe vor sich hinblubberte. Ich beschloss, dass die Brühe aromatisch genug ist (war sie wirklich) und seihte das Gemüse ab. Etwas ratlos jagte ich es kurz durch die Küchenmaschine, vermengte es mit etwas Mehl, reichlich Haferflocken und einem Ei und breit einen großen Teller voller kleiner Bratlinge daraus. (Halte mich zweifelsohne für die Hausfrau des Jahres)

Diese kleinen Taler gab’s mit Kräuterquark und einem bunten Salat. Neu auch diese Woche: Sushi. Ich habe mich nicht getraut, rohen Fisch zu verwenden, also gab’s eine vegetarische Variante. (Auf der Packung mit den Algenblättern stand, in der Tüte sei ein nicht-essbares Tütchen Trockenpulver. Ich habe keines gefunden, allerdings habe ich es erst gelesen, als wir alles das Sushi schon gegessen hatten. Ratet mal, wer sich seither ständig räuspern muss.)

Das wichtigste, so als Fazit, ist für mich, dass Essen Freude macht. Es soll mich nähren und mit allem versorgen, was mich gesund hält. Schokolade und Pizza gibt’s fürs Seelenheil, Kalorien sind nur Zahlen, wichtig ist es, das Gefühl für den eigenen Hunger und den eigenen Körper nicht zu verlieren – oder wieder zu finden. Und natürlich: Genießen. Aber das gilt ja eh immer.

Von Bobs, Bondgirls und Boah-Gerichten

Ich hatte neulich über die Vorzüge des Lockdowns geschrieben und dabei ist mir aufgefallen, dass ich einen ganz zentralen Punkt gar nicht erwähnt habe: Ich „habe“ gar nicht automatisch mehr Zeit für die Dinge, ich schaffe sie mir viel bewusster. Ich genieße es regelrecht, dass unser Leben plötzlich nicht mehr von außen getaktet ist und stricke mir meine Prioritäten ganz einfach selbst. Priviligiert natürlich dahingehend, dass die Redaktionsuhren anders ticken als bei anderen Berufen und ich ziemlich gemächlich in den Arbeitstag starte (so gegen halb zehn, zehn), also davor noch jede Menge Zeit habe, für andere schöne Dinge.

Was mir beim Erledigen oder Genießen dieser Dinge maßgeblich hilft: Das Handy in einen anderen Raum zu legen. Stummgeschaltet. Denn für mich gilt hier, aus den Augen, aus dem Sinn. Und wie viel größer meine Aufmerksamkeit für andere Dinge ist, wenn der kleine digitale Ablenker nicht griffbereit ist, war geradezu eine erschreckende Erkenntnis. Ist der Zeitfresser aber erstmal ausgeblendet, bin ich viel besser im Hier und Jetzt und komme auch wesentlich besser in den Flow. Sei es beim Lesen oder beim Backen oder beim Arbeiten. Ich habe nach meinem letzten Post übrigens beschlossen, meinem Ansatz zu folgen und weiterhin in mich zu investieren und habe mir ein Jahresabo des Sprachmagazins Adesso gekauft. Für das Geld, das ich grade nicht in meine Garderobe investiere. (Oder jedenfalls nicht so viel.)

Auch wenn das den Eindruck gehabt haben mag: Wir erfinden uns zur Zeit nicht jeden Tag neu. Ganz im Gegenteil, ich habe festgestellt, dass wir an alten Dingen plötzlich wieder Spaß haben, weil wir eben wieder die Muße dafür finden. Nur noch kurz die Welt retten kann ich ja nach dem Lockdown immer noch. Ain’t nobody got time for that.

Mein Retro-Highlight der vergangenen Tage war – völlig banal – eine Runde Mensch-ärgere-Dich-nicht, weil das Kind fasziniert vor dem Spieleschrank stand und wir Alternativen zu ihren Kinderspielen gesucht hatten. (Jetzt mal ernsthaft: Was für ein bescheuertes, unfaires, gemeines Spiel! Welche Misantroph hat dieses Spiel, das die übelsten Charaktereigenschaften der Mitspieler ans Tageslicht bringt, auch noch süffisant „Mensch-ärgere-dich-nicht“ genannt? Während der Rest der Familie schon erste Männchen ins Ziel bugsierte, wurde ich in einer Tour vom Spielbrett geworfen. Keiner hatte Mitleid, nein, alle hatten einen Riesenspaß, mich rauszukegeln… aber DAS MERK ICH MIR, LIEBE FAMILIE, DAS MERK ICH MIR…) Ihr seht, ein GANZ TOLLES Spiel!

An Silvester haben wir mit dem Kind eine Runde Activity gespielt und auch dabei festgestellt, dass man sich pantomimisch im Alltag viel zu selten zum Affen macht. (Es sei denn man ist ich, und versucht dem Kind während eines wirklich wichtigen, dienstlichen Telefonats gestikulierend ohne Worte zu verbieten, sich die Nägel auf dem weißen Teppich in drei Rottönen selbst zu lackieren, während man mit Notizblock und Stift in der Hand und Hörer unterm Ohr „aha“ und „hmhm“ murmelt. Pantomime, my ass!)

Ebenso retro die letzten Tage – Schlittenfahren. Wie lange saß ich nicht auf einem Bob (bekennender Schneehasser, aber irgendwie war’s halt doch lustig) und schlitterte johlend den Hügel hinunter… Frau Holle hat’s echt gut mit uns gemeint und die gesamte Alb mit einer dicken Schicht Schnee überzogen. Ich hatte versucht, mich vorm Rodeln zu drücken mit der Behauptung, ich hätte keine schneetauglichen Klamotten. Aber ich hatte die Rechnung ohne meine Schwiegermutter gemacht, die aus ihrem unerschöpflichen Fundus einen unfassbar schönen, enganliegenden, tiefblauen Ski-Anzug mit passendem Gürtelchen hervorzauberte, der mich sofort aussehen ließ wie ein Bondgirl Ende der 70er. So schlecht ist Winter gar nicht.

Und bevor ich jetzt noch ein simples Gericht mit Euch teile, das sich im Homeoffice trotz Redaktionskonferenz und Homeschooling Kind gut vorbereiten lässt, noch ein weiterer Retro-Tipp: Wer Filme und Serien über Amazon sieht, dem lege ich die Serie „Good Girls Revolte“ ans Herz. Basierend auf einer wahren Begebenheit tun sich in wenigen Folgen (aka kann man an einem Samstag durchgucken) Frauen einer großen, amerikanischen Tageszeitung Ende der Sechziger zusammen, um für ihre Rechte zu kämpfen und selbst schreiben zu dürfen.

Und jetzt, passend zum Thema Frauenrechte, haha, noch mein Rezept des Tages, weil es unfassbar lecker war: Gebackener Feta aus dem Ofen mit Gemüse und Reis.

2 rote, 1 gelbe Paprika, 2 mittelgroße Zucchini, 1 Hand voll Cocktailtomaten, 2 Karotten, 1 rote Zwiebel, 2 Knoblauchzehen, 2 Scheiben Feta (ich hatte welchen mit Kräutern), Salz, Olivenöl und gemischte Kräuter (getrocknet oder frisch)

Ich habe den Käse in eine Auflaufform gelegt und mit dem Gemüse bedeckt, alles in mundgerechte Stücke geschnitten. Die Karottenscheiben oder Würfel sollten nicht zu groß sein, sonst bleiben sie gut bissfest. Oben drauf kommt der Knoblauch, in Scheibchen geschnitten, die Kräuter und die fein geschnittene Zwiebel, das Ganze braucht 20-25 Minuten bei 180 Grad Ober-/Unterhitze.

Wir haben Reis dazu gekocht, es geht aber auch wunderbar mit Baguette.

(PS: Es wird in diesem Haushalt wohl für immer und ewig nur das Gemüse geben, was es immer gibt. Dialog neulich beim Essen: „Mama… also diese Kartoffelwürfel sind noch hart und schmecken wie alter Apfel.“ Wie ich mal versuchte, Patinaken in den Speiseplan zu mogeln. Keine Chance. Danke für nichts. 🙂 )

Vom schöner meckern und der Frage der Perspektive

Ich bin allein schon von Berufs wegen ein Nachrichtenjunkie. Nur selten entgehen mir die News, schon gar nicht, wenn sie mich interessieren und betreffen. Wie zum Beispiel die Sache mit dem verschärften Lockdown und den Schulschließungen bis Ende des Monats. (Und ich orakle mal ganz mutig, dass wir auch Ende Januar noch kein Licht am Ende des Tunnels sehen, aber was das für mich bedeutet, dazu später mehr.)

Die erste Woche Homeschooling liegt hinter uns und ich bin momentan verhalten optimistisch: Das lief ganz gut. Uns hat das deutschlandweite Serverproblem nur deswegen nicht betroffen, weil wir ganz analog mit Arbeitsblättern schaffen, wie so Dinosaurier. Für Grundschulen scheint die Sache mit dem digitalen Unterricht ungefähr so kompliziert zu sein wie seinerseits höhere Algebra für mich. Ich bin mir nicht sicher, wo es hakt: An der Hardware, an der Software, an den Lehrern, den Schulleitern oder womöglich an den Eltern, die finden, für kleine Kinder sei das alles noch nix. Am ehesten hakt es aber vermutlich auf der höhreren Ebene: Es frustriert mich zugegebenermaßen, dass wir eine Kultusministerin haben, die die Schuld überall sucht, nur nicht bei sich, die plötzlich mantraartig von bildungsabgehängten Kindern spricht, die es offenbar erst seit den letzten zehn Monaten gibt (und an denen keinesfalls unsere Sozialpolitik Anteil hat, woher auch) und die jetzt auf einen „Plan“ wartet. Wir warten mal mit und holen derweil analoge Arbeitsblätter. Im Süden nichts Neues.

Für mich bedeutet dass, dass sich Szenen wie diese Woche wiederholen: Ich sitze in der Online-Redaktionskonferenz und verfolge die Produktionsideen aller Ressorts für die kommende Ausgabe, schneide derweil Schneeflocken mit der Kinderschere aus, weil das Kind jammert, es komme nicht um die Ecken, und helfe, unlösbare Matheaufgaben zu lösen. (Keine höhere Algebra, da bin ich dann lost und hoffe auf mein intelligentes Kind). Irgendwann musste ich die Konferenz in meine Küche tragen, damit ich nebenbei im Nudelwasser rühren konnte und den Ton abschalten, damit ich dem Kind einen Text diktieren konnte. So mischten sich die Winterchaos-Themen der Redaktionskollegen mit meinen „Pe-ter geeeeeht Schlit-ten-fah-ren“-Sätzen und irgendwie ergab das in meinem Kopf am Ende ein schönes Gesamtbild. Es geht alles, aber nach dem Essen brauchte ich dann erstmal eine Pause. Von Kollegen, Nudeln und Dik-ta-ten.

Und jetzt die Hiobsbotschaft: Lockdown hat so gar nichts mit Lockerung zu tun. Und offensichtlich für 95% der Menschen auch nichts mit Verlockung. Außer, fettes Ätsch, für mich und für alle, die die Situation einfach annehmen können. Denn jetzt kommt’s: Dieser Lockdown braucht nichts weiter als eine Umkehr der Perspektive. Es ist nämlich in Wirklichkeit ganz großartig, nichts mehr zu müssen, lässt es doch so viel mehr Freiheiten, Dinge zu dürfen.

Die Wahrheit ist doch: Man meckert sich das Leben nicht schön. Der Virus wird nicht irgendwann sagen, ja gut, wenn ihr mich alle doof findet, dann verschwinde ich halt. Der Virus stellt alles in Frage. Er ist unbequem und er zwingt uns zu einem hohen Maß an Resilienz und auch geistiger Flexibilität. Die Menschen, die gegen alles sind, Maskentragen als Eingriff in die Selbstentfaltungsmöglichkeiten sehen, Kontakte bewusst nicht einschränken, sondern sich weiter mit Bussis begrüßen und in Clans Rodeln gehen, sie alle haben womöglich schlicht Angst, ihr Leben könnte ihnen entgleiten und die Isolation Dinge zutage bringen, die sich unter der hektischen Decke des Alltags bisher so gut ignorieren ließen.

Ich will nicht sagen, dass ich mich nicht auf einen Kinonachmittag, einen Abend bei meinem Lieblingsitaliener oder auf eine Wanderung mit Freunden freuen würde. Aber bis das wieder möglich ist, werde ich all das ungenutzte Potenzial ausschöpfen und so richtig in die Vollen gehen.

Wie? Ich verrat’s Euch. Seit geraumer Zeit lerne ich Italienisch. Nicht nur, weil ich mich schon heute auf meinen nächsten Besuch in Milano freue, sondern weil ich irgendwann chamäleongleich mit den Einheimischen verschmelzen möchte. Der Kurs findet zum Glück online weiterhin statt, aber wozu gibt’s das Internet? Jetzt ist die Zeit, richtig tief einzutauchen. Wer eine Sprache lernen möchte, kann das auch ganz komfortabel mit Lern-Apps tun, Sprachmagazine abonnieren, Liedtexte übersetzen… ihr glaubt nicht, was eine halbe Stunde täglich ausmacht.

Aber auch für die, die sich lieber handwerklich beschäftigen, ist die Zeit ganz großartig. Große Onlineverkaufsplattformen (um keine Werbung zu machen) oder auch der Einzelhändler vor Ort bieten Leinwände, Acrylfarben- und Pinselsets zum Bestellen oder Abholen an. Wer noch nie mit Pinsel und Leinwand gearbeitet hat, findet im Netz genügend Lernvideos und kann schon in wenigen Tagen ein eigenes Werk in den Händen halten oder ein neues Hobby für sich entdecken. Wem das alles zuviel Aufwand ist: Druckerpapier, Bleistift und ein Apfel als Stillebenmotiv sind auch ein Anfang. In Sachen Kreativität ist Pinterest übrigens eine unendliche Schatzkammer an Ideen. Wer gerne Fummelarbeiten mag, findet unter dem Stichwort Quilling unfassbar beeindruckende Kunstwerke zum Nachmachen. Nicht zur Verwechseln mit Quilting, aber wer sich schon immer mal mit der Funktionsweise seiner Nähmaschine auseinandersetzen wollte und die vielen Stoffreste verarbeiten will, auch dafür ist jetzt Zeit. Und wer keine Lust hat, Klamotten online zu bestellen, für den ist vielleicht auch die Bestellung im Stoffladen um die Ecke eine Möglichkeit, Schnittmuster für alles mögliche gibt’s zum Teil kostenlos im Netz.

Ich habe bei meiner Aufräumaktion jede Menge Kochbücher (wieder-)entdeckt, die mich auf ganz neue Ideen gebracht haben. Auch wer nicht gerne große und aufwendig kocht, findet oft einfache und schnelle Rezepte, die zum festen Bestandteil des Speiseplans werden können, wenn man sie nur mal ausprobiert. Die Zeit ist wie geschaffen für wärmende Suppen, deftige Eintöpfe und Ofengerichte.

Und wer einfach nur die Beine hochlegen und die Augen schließen will, kann sich aus einer unendlichen Fülle von Podcasts und Hörbüchern bedienen oder einfach mal wieder den ersten Band Harry Potter auf Englisch lesen. Tut der Seele UND dem Hirn gut. (Ich warne an dieser Stelle allerdings vor Büchern, die nicht guttun. Für mich sind das düstere, schwedische Krimis, bei denen es immer dunkel ist und die Protagonisten alle depressiv sind. Die verstören mich tatsächlich mehr als dass sie unterhalten, aber das muss jeder für sich rausfinden. Will sagen: Wenn die gute Laune bei Dir nicht ohnehin der Normalfall ist, dann zieh Dir keinen Trübsinn rein.)

Insofern gehe ich völlig entspannt wegen mir auch in einen kompletten Ein-Igel-Lockdown. Die Freiheit, mit meiner Familie die großartigste Zeit daraus zu machen, kann mir keiner nehmen. Und jetzt wartet der Hefeteig auf mich. Hausfrau des Jahres wird man schließlich nicht von selbst, ne?

„Ich habe heute leider kein Bild für Dich …“

Um es vorneweg zu nehmen: Ich liebe meinen Job sehr. Ich empfinde Schreiben als so nötig wie Atmen, liebe gute Geschichten, habe Spaß an der Recherche. Als Lokalredakteurin ist man tatsächlich nah dran an den Menschen, schreibt über lokalpolitische Prozesse und ordnet sie ein. In einer Sprache, die zum Beispiel komplexes Baurecht so für den Laien herunterbricht, dass er die Entscheidungen der Verwaltung begreifen und selbst bewerten kann. Man porträtiert Menschen und ihre Lebensgeschichten, arbeitet öde Haushaltszahlen so auf, dass sie lesenswert werden und hält die Entwicklung der eigenen Heimatstadt fest. Kurz: Der schönste Beruf ever. Auch wenn wir intern oft um Formulierungen ringen, um den richtigen Umgang mit heiklen Themen, um den richtigen Ton, um die richtige Größe und die richtige Einordnung. Was nach außen flott dahingetippt wirkt, hat oft eine längere Vorgeschichte, als der Leser glaubt.

Ein Teil des Jobs: Wir stehen in der Öffentlichkeit. Damit lebt man, es ist eine Begleiterscheinung, die viele Berufe und auch Ehrenämter eint. Ein Gemeinderat muss sich für sein Abstimmungsverhalten rechtfertigen, Ein Fußballtrainer für seine Mannschaftsaufstellung. Doch so sehr man sich an Fakten und Vernunft hält, nicht immer wird von allen Seiten gouttiert, was am Ende im Blatt zu lesen ist. Auch das liegt in der Natur der Sache. Denn eines habe ich gelernt: Fakten sind erstaunlich interpretationsfähig. Und als ich jüngst schrieb, mir sei Hass und Häme entgegengeschlagen, haben mich viele auf anderen Kanälen gefragt, was denn passiert sei.

Ich möchte nicht ins Detail gehen. Im Prinzip habe ich den Shitstorm nur damit ausgelöst, dass am Ende meiner Recherche, deren behördliche Quellen ich offen benannt habe, nicht das vom Tippgeber gewünschte Ergebnis zutage kam. Offenbar kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf. Es ist ein bisschen vergleichbar mit dem Politiker, der selbst schwer an Corona erkrankt war und nach intensivmedizinischer Behandlung zwar einräumt, dass er krank war, aber trotzdem leugnet, dass wir ein Pandemieproblem haben. Oder mit dem Präsidenten der USA, der zwar weiß, dass er verloren hat, aber in seiner Welt trotzdem gewonnen hat. Da werden aus Lügen schneller „alternative Fakten“ als man Wutbürger sagen kann.

Mir ist klar, dass die Schreiber jener wütenden Mails davon ausgehen, dass ich sie in die Pfanne hauen will. Persönlich. Als hätte ich irgendein Interesse daran, aber was weiß ich schon. Was ich mir erst selbst klar machen musste: Ich bin nur der Überbringer der Botschaft. Es ist zufällig mein Thema. Ich bin nicht Schuld am Ergebnis. Und meine Person ist auch nicht die richtige Adresse für die Wut über das, was meine Recherche zutage gebracht hat. Zum Teil verstehe ich das – wer will schon einsehen, dass er auf dem Holzweg war. Aber zum Teil verstehe ich das auch nicht – ich kann ja nichts dafür. Und wo die Grenzen des Anstands verlassen werden, muss ich nicht mehr mitgehen.

Eine ganze Weile lang argumentierte ich gegen die wutentbrannten Mails an. Erklärte die Begründung der Behörde für ihre Entscheidung, versuchte Denkfehler aufzuzeigen. Der Erfolg, ihr ahnt es, war gleich null. Schlimmer noch, ich bekam zu hören, ich sei einfach unfähig, böswillig, behördenhörig, dumm. Wenn das Gras blau ist, ist es halt blau. Und ich blind.

Das alles hatte sich kurz vor Weihnachten zugespitzt und ich hatte mehr daran zu knabbern, als mir lieb war. Dass man mich für unfähig hält, ist etwas, das ich wegstecken kann. Dass erwachsene Menschen aber Fakten stoisch ignorieren und mit „Trotzdem-Argumenten“ daher kommen wie Dreijährige in ihrer schlimmsten Phase, nicht aufhören können, wüste Beleidigungen in episch lange Mails zu packen und diese geradezu kampagnenartig zu verschicken, da war meine persönliche rote Linie überschritten. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was andere Kollegen sich anhören müssen, die in viel größerem Stil an solchen Fronten stehen.

Ich für mich beschloss, zwei Dinge zu tun: Gegen die infamsten Behauptungen, die mich nachts, tags, im Stundentakt erreichten, die sogar meine Familie mit einschlossen, habe ich rechtliche Mittel eingesetzt. Und alles andere habe ich losgelassen.

Das klingt einfacher, als es ist, war aber ein schwieriger, innerer Prozess. Und am Ende sehr effektiv. Ich, die auch intern bis zum letzten Tag darum gerungen hat, auch diese schwierigen Zeitgenossen ernstzunehmen und sie anzuhören, bin dem Rat meiner Chefs gefolgt und habe die Kommunikation eingestellt. Ich habe konsequent alles gelöscht, was mich triggern könnte und das Thema, das meine Arbeit über Monate geprägt und auch bereichert hat, beerdigt. Zumindest, was diese Quellen angeht.

Und ich habe noch etwas getan, was viel größer, wichtiger und schwieriger war: Ich habe verziehen. Nicht, weil die Gegenseite das verdient hätte, sondern weil ich es verdient habe. Dieses Gift, was mir wochenlang ungefragt ins Leben gekübelt wurde, hat keinen Platz hier. Hier ist Platz für Klarheit, für konstruktiven und gerne auch kritischen Dialog, für Respekt, für Wertschätzung und Achtung. Wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt raus und wird konsequent vergessen. Der eigenen Seele zuliebe.

Das zu begreifen und umzusetzen war nicht einfach, aber es hat mich wachsen lassen. Und ein Ende des Prozesses ist noch lange nicht in Sicht.

Vorne, oben, leicht

So. Da bin ich wieder. Wenn mein Archiv nicht lügt, bin ich eine denkbar schlechte Bloggerin, jedenfalls was die Kontinuität angeht. Aber ich verrat Euch was – es liegt nicht am Schreiben, mir kam halt immer das Leben dazwischen. Trotz, oder vielleicht auch wegen der Pandemie.

So gab es hier keine bunten Urlaubsbilder, keine Wanderimpressionen, keine Bilder aus der Küche und auch sonst nix zu sehen. Aber ich schwöre: Wir haben gelebt, den Sommer genossen, im Herbst tonnenweise Äpfel zu Saft verarbeitet, Kekse gebacken, Weihnachten sehr besinnlich verbracht und waren an Silvester sehr lange auf. Das war’s dann auch schon mit dem Jahresrückblick.

Natürlich trägt auch unser Jahr den Corona-Stempel. Statt meinen vierzigsten Geburtstag mit einer rauschenden Party zu feiern, musste ich Gäste ausladen, das Kind neben dem Job durch den Lernstoff der ersten Klasse bugsieren und mich mit dem Gedanken anfreunden, dass Masken ab sofort zur Garderobe dazugehören.

Und wisst ihr was? Es beeinträchtigt mich, und das meine ich völlig ernst, nicht. Einfach nicht. Ja, ich weiß, das Wochenende in Mailand fällt erstmal aus. Zieh ich eben alles an, was ich eh schon im Schrank habe. Und ja, die Partys und die Abende mit Freunden fallen auch aus. Telefonieren wir eben öfter. Die Pizza holen wir ab, genau so wie die Blumen und die Bücher. Und dann ist da ja auch noch das Internet voller Wissen, Filme und E-Books… und wenn uns nach Bewegung ist, dann gehen wir einfach raus. Wir haben das große Glück, in einer Region zu leben, in der andere Urlaub machen, noch dazu ganz nah an der Natur.

Trotz aller Einschränkungen habe ich eines begriffen: Diese Pandemie, sofern wir natürlich alle von der Krankheit verschont bleiben, kann mir nichts nehmen. Kein bisschen Lebensfreude, kein Quäntchen Erfülltheit, kein Stückchen Freiheit. Denn all das ist ja schon in mir drin und da kommt keine Coronaverordnung hin. Ich entscheide, wie gut mein Leben ist. Als nicht „den Umständen entsprechend“, denn die Umstände sind halt da wie das Wetter. Kann man doof finden, ändert aber nix. Und so entscheide ich mich jeden Tag einfach dafür, alles schön zu machen nach den Regeln, die gelten und die ich für absolut sinnvoll halte.

Wer es sich nicht schön macht, hat es nicht schön. Wer über Abstandsregeln, Homeschooling, Hamsterkäufer, Maskentragen, Reiseverbote und alles andere jammern möchte, wird ruckzuck Gleichgesinnte finden und mehr als genug Möglichkeiten, sich im Jammertal zu treffen und im Selbstmitleid zu suhlen. Aber ist es so schön da? Ernsthaft?

Ich sage nicht, dass die Einschränkungen ein großer Spaß sind, aber sie sind kein Weltuntergang (und ja, großes Verständnis für alle, die um ihre Existenz bangen – aber danach geht es weiter.) Die Pandemie bringt die Stärken und Schwächen in jedem Einzelnen überdeutlich zum Vorschein, weil sie uns die Möglichkeit nimmt, vor uns selbst davonzulaufen. (Spoiler: Davonlaufen ist nie eine gute Idee, stellen wir uns dem doch jetzt, wo wir alle Zeit haben und räumen mit alten Sorgen mal gründlich auf.)

Und wie machen wir’s uns schön? Wir backen diese Cracker und Bananenbrot, Pizzaschiffchen und Muffins. Ich nehme lange Schaumbäder, lese gute Italien-Krimis, lerne brav Italienisch-Vokabeln, übe Klavier, zünde Kerzen an, genieße meinen Mittagsschlaf und meinen Kaffee danach und staune fast täglich über die glitzernde, weiße Winterpracht auf den Wegen rund um die Berge hinterm Haus. Und apropos Haus: Ich habe in den letzten Tagen des alten Jahres alle Schränke aufgeräumt, das Kinderzimmer auf links gedreht und ganz viele Dinge ausgemistet. Ich habe dabei 36 Müslischüsseln und 27 Blumenvasen gezählt, Mangel ist nichts, worüber wir jammern dürften. Uns geht es einfach gut, so gut, dass wir es manchmal übersehen, wie den Wald vor lauter Bäumen.

Und so wie ich davon überzeugt bin, dass man sich fürs Positive entscheiden kann, so glaube ich auch fest daran, dass man sich gegen das Negative entscheiden kann, ja, muss.

Denn die letzten Arbeitstage 2020 waren für mich sehr herausfordernd, einer meiner Artikel mit Kommentar hat Hass und Häme provoziert, die mir (von einer kleinen aber sehr lauten Gruppierung) fast kampagnenartig entgegenschlugen. Je mehr ich versucht hatte, meine Arbeit nachvollziehbar zu erklären, desto wirrer wurde die Argumentation der Gegenseite. Und irgendwann war ich an dem Punkt angelangt, an dem ich verstand, dass ich loslassen muss. (Erzähler: Und das dauerte ganz schön lange.)

Großartigerweise erfuhr ich aber in dieser Zeit nicht nur viel Zuspruch und Lob von anderer Seite (was man bei all der Hetze fast vergisst), auch meine Chefs, Freunde und Kollegen stärkten mir zu jeder Zeit den Rücken (ihr wisst, wer ihr seid, danke). Und Ende des Jahres schloss ich den Deckel des Laptops und beschloss damit gleichzeitig, dass die Geschichte damit beendet ist. Wenn Argumente nichts mehr zählen, ist jedes weitere Wort ziemlich müßig. Und siehe da: Es ward gut.

Und so bildeten sich vielleicht ganz aus Versehen zum Jahreswechsel gute Vorsätze, für die ja grundsätzlich jeder neue Tag geeignet ist. Ich werde weiterhin immer ein Ohr und ein Auge für gute Geschichten haben und völlig ergebnissoffen recherchieren, aber auch nicht mehr über jedes Stöckchen springen, das man mir hinhält. Stattdessen möchte ich die neu dazu gewonnene Stärke nutzen, mich mehr außerhalb der Komfortzone umzuschauen. Innere Stärke und Persönlichkeit sind wie ein Muskel, der wächst halt nicht auf der Couch. Mit dem Bewusstsein, dass da Herausforderungen auf mich zukommen werden, die groß sind, beschließe ich schon heute, dass ich schwere Dinge leicht nehmen werde. Ich werde dem Druck, dem Stress und dem Verdruss mit Energie, Elan und Leichtigkeit begegnen und sie einfach wegwischen. (Wer die alte Zewa-Werbung noch kennt: Genau so.) Die Dinge, auch die schweren, haben einfach nur das Gewicht, das man ihnen gibt. Also machen wir es einfach und leicht. Kommt ihr mit?