Diese Geschichte beginnt an einem sonnigen Dezembervormittag im Jahr 2018 auf einer Plaza in Malta. Die engen Altstadtgassen, die oft steil hinab zum Meer führen, waren üppig mit glitzernder Weihnachtsdekoration überhangen, Touristen bummelten, Malteser eilten durch die Straßen, die einen erstanden Souvenirs, die anderen gingen ihrem Tagwerk nach.
Auf einem großen Platz, offenbar vor dem Rathaus oder einer andere Institution, tummelten sich viele junge Leute in denselben Shirts, es sah ein wenig aus, wie eine Schulabschlussklasse. Sie kreischten, lachten, feierten vergnügt und stellten sich für Fotos auf.
Doch ich hatte kaum einen Blick dafür, denn etwas völlig anderes hatte meine Aufmerksamkeit geweckt: Eine tiefschwarze Limousine, schwärzer als schwarz, mitten auf dem für Fahrzeuge gesperrten Platz. Ungewöhnlich elegant in der Formensprache, kein Nummernschild, dafür eine Art Wappen. Der Kühlergrill – ein lang gezogenes Dreieck. Ich machte ein Bild des Autos, das auf mich eine ähnliche Faszination ausübte, wie seinerzeit KIT. Nur, dass es nicht laut mit mir sprach, dafür nicht weniger intensiv.
Ich umrundete das Auto um einen Hinweis auf die Marke zu bekommen. Und siehe da – es war ein Alfa Romeo. „Jaja“, sagte mein Mann auf meinen begeisterten Wortschwall hin und zog mich sanft am Ellbogen weiter. Das Auto aber hatte einen Eindruck hinterlassen. Einen Anker gesetzt, der an ein ganz bestimmtes Gefühl gekoppelt war und nie wieder verschwinden sollte.
Wir sind nach einer Woche Mittelmeer nach Hause zurückgekehrt – ohne das Auto freilich. Ich habe kurz überlegt, meine Fertigkeiten als Autoknacker zu testen, aber spätestens beim Verladen aufs Schiff wäre ich aufgeflogen. Und so geriet es die kommenden Wochen wieder in den Hintergrund. Bis zu jenem Wochenende, an dem wir eine Open-Air-Messe besuchten, bei der unter anderem ein Autohaus ausstellte. Ich stand – mal wieder – vor einem Auto und wieder sollte es eine Begegnung sein, die später in der Geschichte eine Bedeutung hatte: ein schwarz-rotes, tiefergelegtes Abarth-Cabrio. „Jaja“, sagte mein Mann und zog mich sanft am Ellbogen weiter.
Das Cabrio war schick, keine Frage, aber für eine dreiköpfige Familie ungeeignet, das war sogar mir klar. Aber das Autohaus, das es ausgestellt hatte, war ein Alfa-Romeo-Händler. Ich erinnerte mich augenblicklich an die schwarze Giulia auf Malta und scrollte mich durch die Fahrzeugliste des Händlers. Ich fand blaue Autos und graue, aber kein schwarzes. Aber ganz unten auf der Liste schließlich, tauchte eine Giulia in weiß auf, ein Diesel allerdings. Ich erinnere mich noch gut an diesen Aha-Moment, Liebe auf den ersten Blick, in dem ich etwas für mich beschloss: Mein nächstes Auto ist eine weiße Giulia. Es war keiner dieser „wäre ganz nett“-Gedanken, die ohnehin zu nichts führen. Es war ein Entschluss.
Fasse einen Entschluss. Und erinnere dich täglich daran.
Am Montag darauf eröffnete ich auf der Bank ein Sparbuch, nannte es Giulia und legte einen Dauerauftrag an. Träume sind wichtig, aber nur Pläne führen zum Ziel. Ich überlegte sorgfältig, wie viel mir dieser Entschluss wert ist. Und gleichzeitig beflügelte mich der Plan enorm, diverse Projekte zu vervollständigen, die mich meinem Ziel näher bringen würden.
Und weil Schreiben nun mal das ist, was ich am Besten kann, setzte ich mich auf den Hosenboden und brachte nach Monaten endlich mein Krimi-Manuskript zu Ende. „Ich schreibe ein Buch, das wird ein Bestseller und davon kaufe ich mir das Auto“, erklärte ich meinem Mann, als würde ich über etwas so Simples wie den Einkaufszettel sprechen. „Jaja“, sagte der und grinste.
Um es vorweg zu nehmen: Es wurde kein Bestseller. Aber allein die Tatsache, dass ich aus eigener Kraft, aus eigener schöpferischer Fantasie etwas geschaffen habe, das es vorher nicht gab, dass es Menschen gibt, die mein Buch lesen und Freude daran haben, war für mich ein enormer Motivationsschub. Das mit dem Bestseller kann ja übrigens noch kommen. Ich warte quasi täglich darauf.
Um allen klar zu machen, wie Ernst es mir ist, stellte ich in der Küche ein großes Weck-Glas auf, klebte das Bild einer weißen Giulia darauf und füllte Kleingeld hinein. Geld zum Geburtstag, Zuschläge von Wochenenddiensten, Einnahmen aus dem Buchverkauf – was auch immer übrig war, landete auf dem Konto oder im Glas.
Und dann kam der Samstag vor zwei Wochen. Ich hatte wenige Tage zuvor routinemäßig bei einer großen Automobilplattform im Netz die Angebote gecheckt und eine wunderschöne Giulia entdeckt, allerdings 250 Kilometer weit weg. Ich hatte hin und her überlegt, ob ich mir einen Tag freinehmen sollte, um das Auto anzugucken. Ich hatte mich dagegen entschieden und kurze Zeit später war auch das Inserat verschwunden.
Aber an eben jenem Samstag vor zwei Wochen stand ich nach einer halbdurchwachten Nacht morgens um halb sieben schlaftrunken an der Kaffeemaschine und blätterte durch die Fahrzeugliste jenes Alfahändlers vom Anfang der Geschichte. Und mit einem Mal war ich glockenhellwach. Da stand sie. Eine weiße Giulia mit schwarzem Glasdach, das traumschönste Auto, das die Welt je gesehen hat. Erneut ging ein morgendlich-elektrisierter Redeschwall über meinen Mann nieder. Der sagte – you know. Aber immerhin fuhr er mit mir am Sonntag zum Autohaus, nur damit ich ernüchtert feststellen konnte, dass das schöne Auto nirgends zu sehen war. Auch nicht in der zweiten Niederlassung, die wir „können-wir-bitte-noch-40-Kilometer-in-die-andere-Richtung-Schaaahaaatz“ auch noch anfuhren.
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt – am Montagmorgen hing ich um drei Minuten nach acht am Telefon und organisierte eine Probefahrt, die mich völlig flashte. Ich schlief eine Nacht darüber, verhandelte hartnäckig und unterschrieb am Dienstag den Kaufvertrag. Ich kümmerte mich um die Versicherung, putzte meinen Kombi, machte Fotos, schrieb ein langes und ausführliches Inserat und wartete auf begeisterte Käufer. Währenddessen räumte ich das angesparte Konto leer, war ein bisschen verdammt stolz auf mich und nutzte die positive Energie im Atelier zum Malen.
Lass dich niemals von den Umständen leiten. Sie brauchen DEINE Ansage.
And then the REAL magic happened: Innerhalb von einer Woche verkaufte ich zwei meiner Bilder und bekam angeboten, ein paar ausgesuchte Stücke auszustellen. Damit sind schon fast zwei zusätzliche Felgen bezahlt.
Und nicht nur das: Ich habe in dem ganzen Prozess unfassbar viel gelernt, weil ich alles alleine entschieden und gemeistert habe. Und ich lernte den eklatanten Unterschied zwischen Autopreis und Autowert kennen und setzte mich mit Autohändlern auseinander, die meinen Kombi gerne geschenkt haben wollten. (Geschenkt hätten ihn übrigens alle genommen, klar.)
Und als die Umstände mir gerade einreden wollten, dass ich das alte Auto wohl doch würde viel günstiger (und vor allem unter Wert!) abgeben müssen, fasste ich einen erneuten Entschluss: Dieses Auto würde für den Preis vom Hof gehen, den ich mir vorgestellt habe und nicht für weniger.
Einen Tag später meldete sich eine Familie aus der Nachbarschaft, die schon länger einen Kombi sucht. Das Auto zieht nun zu meinem Wunschpreis eine Straße weiter. Magic? Magic!
Mein ganz persönliches Fazit aus der Geschichte: Dream big. Aber vom Träumen allein passiert erstmal gar nichts. Arbeit, Leidenschaft für die Sache, Zielstrebigkeit und der unbedingte Wille, sein Ziel zu erreichen, setzen Energien frei, die nicht aufzuhalten sind.
Und wenn die Umstände noch so laut schreien (und das haben sie im Lauf dieser Geschichte ein paar mal getan, glaubt mir), so habe ich jedesmal beschlossen, dass es bei mir anders ist. Dass es bei mir genauso läuft, wie ich es mir vorgestellt habe. Nicht weil ich kindlich-naiv an Dinge herangehe, sondern weil ich alle Kraft und alle Energie in die Sache stecke und mich faule Kompromisse nicht glücklich machen. (Ich wollte auch nicht die kleine Ausgabe des Modells, sondern dieses, basta.)
Ich kann gar nicht anders, ich BIN das Vertrauen in den positiven Ausgang der Dinge. Und das bin ich so felsenfest und sicher, dass sich die Umstände IMMER mir fügen. Die Dinge sind nicht so kompliziert, wie es mir die Umstände einreden wollen, sie sind einfach und klar, weil ICH nur einfach kann.
Alles beginnt mit dem Entschluss, eine Lösung für jedes Problem zu finden. Alles beginnt mit der tiefbegründeten Weigerung, mich von negativen Stimmen, Unsicherheiten, Umständen leiten zu lassen. Und wenn es bei so vielen anderen anders lief, wenn auch Tante Kunigunde genau weiß, dass das bei Cousin Herbert auch in die Hose ging, dann ist es mir trotzdem egal. Ich bin in meinem Kopf der Chef. Zweifel, Unsicherheiten und Ängste brauchen eine klare Ansage, sonst übernehmen sie ungefragt das Kommando in Deinem Leben. Ain’t nobody got time for that.
Fun fact am Rande: Das Glas bleibt in der Küche stehen und ist schon wieder ziemlich voll mit Kleingeld – ich hatte neben 17 (!) Kugelschreibern (Berufskrankheit) eine Kleingeldsammlung im Kombi gefunden, die vermutlich für sich gesehen schon eine weitere neue Felge gibt. Fehlt ja nur noch eine. Ich überlege mir seit einer Woche, was ich jetzt anstatt dem Bild der weißen Giulia draufklebe. Be careful, what you wish for. And keep on dreaming big.