1/1/24 – Tag 76 und Tag 0 zugleich – Von neuen Kapiteln, dem Ende, dem Anfang und der Suche nach Herausforderungen

Ich

Wenn es stimmt, dass das Glück mit die Doofen ist, ist das wenig schmeichelhaft für mich. Denn so viel gewonnen wie in den letzten acht Wochen habe ich noch nie. Zuerst räumte ich bei einem Vortragsabend mit fünf Losen zwei von 30 Preisen bei 500 Losen ab. Dann gewinne ich einen Wellness-Gutschein. Und bei der Silvestertombola gestern (gleich spule ich nochmal zurück) wird die Losnummer des Tochterkinds aufgerufen, als nach einer halben Stunde voll Edelbränden, Wurstkörben und Bademänteln der Hauptpreis, nämlich zwei Übernachtungen mit Halbpension und Candle-Light-Dinner, Wellness und Massagen über die Theke ging. Sie kann mit „Romantik-Tagen für zwei“ nur bedingt etwas anfangen, darf aber natürlich mit. (Das mit der Romantik ist dann als hinnehmbarer Kollateralschaden zu verbuchen, aber MEI!)

Aber nochmal zurück – Wir haben uns zwei Tage vor Silvester mit Freunden in die völlige Abgeschiedenheit eines Landhotels inmitten sehr viel Landschaft verabschiedet, weswegen es hier ebenso still war. Sauna, Ruheraum, Blick auf ein weitläufiges Moorgebiet. Aber auch: Spaziergänge, gute Gespräche, frühmorgendliche Laufrunden im Morgenrot (ich wollte diesen Eindruck unbedingt konservieren: krachkalte Luft, die ich und die schottischen Hochlandrinder auf der Weide neben nir in Wolken ausatmen, ein schnurgerader, ebener Weg vor mir, ein gutes Lauftempo und ganze vorne ein gleißend orange-roter Morgenhimmel, das war ein Wahnsinnsgefühl!), ein tolles Silvesterdinner, Feuerwerk, viel Gelächter, das kleine Schwarze und nette Tischbekanntschaften. Dazwischen: Ein inspirierendes Buch („Der Weg des SEAL“) und Italienischvokabeln auf der Poolliege. Ich hatte ja sonst nix zu tun.

Und sonst so? Morgen beginnt das Arbeitsleben wieder, nach unglaublichen 76 Tagen Dolce far niente. Back zu the roots, zurück an meinen Schreibtisch mit den eingestaubten Notizzetteln. Zurück zu den ungeschriebenen Geschichten, ungfragten Fragen, ungehörten Antworten.

Bin ich bereit? Sehr und überhaupt nicht zugleich. Ich habe die Freiheit genossen, ich habe das Zu-mir-kommen genossen, ich habe die Stille in meinem Kopf genossen. Ab morgen wieder volle Tage, tickende Uhren, zu wenig Menschen für zu viel Arbeit. Vom Schritttempo wieder in den Überschallflieger. Es wird mir gut tun und es wird mir schaden. Es wird mir guttun, weil ich meine Arbeit liebe. Weil ich ein gutes Näschen für gute Storys habe, weil ich mich in Themen verbeißen kann, weil ich hartnäckig und gewissenhaft sein kann. Und weil Schreiben letztlich sowas wie Atmen für mich ist. Lange genug die Luft angehalten jetzt.

Aber es wird mir auch schaden, weil die Hektik nicht immer produktiver Stress ist. Weil ich Dinge an mich heranlasse, die mich innerlich anfressen, auch wenn ich das nicht wahrhaben will. Weil ich sehr viel zwischen den Zeilen lesen kann und dort oft hässliche Dinge geschrieben stehen, die unnötig sind, die nichts zur Verbesserung des Situation beitragen.

Wenn ich auch kein Freund guter Neujahrsvorsätze bin, weil jeder Tag die Möglichkeit bietet, etwas Neues zu wagen: Ich habe mir vorgenommen, besser zu trennen. Denn Umstände, Menschen, Ereignisse bringen Energien mit. Ab sofort versuche ich, die negativen Dinge früher zu erkennen, zu stoppen und auszusortieren, bevor sie mich innerlich erreichen. Gedanken sind keine Tatsachen. Und ich habe keine Zeit für vergiftende Grübeleien und negativen Bullshit.

Mein neues Jahr ist ein leerer Schreibtisch. Mit einer Tastatur, um neue Kapitel zu schreiben. Mit einem Monitor, um den Überblick zu behalten. Mit einem Stuhl, um mal innezuhalten. Mit Notizzetteln, um Eindrücke festzuhalten. Mit Leuchtstiften, um die echten Highlights nicht zu übersehen. Mit Schubladen, um Erinnerungen aufzubewahren. Mit einem Telefon, um neue Menschen kennen zu lernen. Und mit einer Grünpflanze, um etwas ganz legal sterben zu lassen, wenn mir danach ist, höhö. (Ja neee, ich habe Kolleginnen mit dunkelgrünem Daumen, zwei Stück davon, die einschreiten, bevor ich morde, versprochen.)

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Hotelfrühstück, dann lange nix, weil *börps. Heute Abend Fisch in Tomaten-Currytunke mit Brötchen. Dem Mann gruselt dabei, ich mag’s ja.

Gelesen: Der Weg des Seal. Durchaus spannend.

Gesportelt: Neue Ziele gesetzt (600 km laufen, 600 km gehen und 200 km radeln) und gleich angefangen – fünf Kilometer neujahrsspaziert.

Gefreut über: einigermaßen früh aufgestanden zu sein, der Neujahrstag ist sonst immer mit einem Gummigefühl belegt, das war heute echt anders. Nur zur Laufrunde durchs Moor konnte ich mich heute nicht mehr aufraffen.

LaSignorina