Neulich während des Online-Italienisch-Kurses: Mein Mann schiebt mir ein Duplo zu, als Nervennahrung, als Zuckerdoping, als süße Belohnung für so viel geistige Arbeit am Abend (er kann echt lieb sein). Direkt an der Laptop-Kamera vorbei, so dass es alle gesehen haben (er kann auch echt eine Ratte sein). Prompt kommt die unausweichliche Frage auf: „Gehörst du etwa zu denen, die alles essen können, ohne zuzunehmen?“ Und was soll ich sagen außer der Wahrheit? Stimmt.
Ich halte mein Gewicht seit ich denken kann. Ich habe in der Schwangerschaft zwischen neun und zehn Kilo zugenommen und danach 14 ab. Das ist jetzt acht Jahre her und ändert sich auch nicht. Sprich, ich wiege heute konstant zwischen 50 und 52 Kilogramm und bin 1,60 m groß (daran ändert sich wohl auch nix mehr, wa).
Wer jetzt aber denkt, ich würde diszipliniert nach irgendwelchen Regeln essen und auch nur ganz wenig, den muss ich enttäuschen. Ich liebe Essen! Ich zelebriere Essen. Essen ist für mich etwas sehr Sinnliches und etwas völlig anderes, als reine Nahrungsaufnahme. Vor allem das Mittagessen ist für mich etwas Heiliges. Schuld daran ist meine Mama, denn ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem es in meiner Kindheit kein warmes, gekochtes Mittagessen gegeben hätte. (Danke Mama, es hat mich wirklich geprägt.)
Während ich kein großer Frühstücker bin und morgens allenfalls ein Schokomüsli mit etwas griechischem Joghurt und frischem Obst esse, ist das Mittagessen elementar wichtig. Es ist ein Highlight des Tages für mich und ich freue mich wirklich jeden einzelnen Tag darauf. Außerdem teilt es den Tag sinnvoll in vor-dem-Essen (Vorfreude pur!) und nach-dem-Essen (Glücksgefühl pur!). Essen ist für mich Kultur. Dazu gehört, sich hinzusetzen und aus Porzellantellern oder Schalen mit Besteck zu essen.
Ganz furchtbar ist für mich „was vom Bäcker“. Wisst ihr, was ich meine? Ein trockenes, mit Billigkäse überbackenes Brötchen oder eine Schnitte mit wasweißich oder ein kaltes Stück Pizza ist für mich kein richtiges Essen über Mittag. Klar gibt es auch Bäcker, die mittlerweile ganz appetitliche Salate anbieten, aber auch die isst man meist notgedrungen am Schreibtisch aus der Plastikschale. Das.ist.kein.Essen. Das ist allenfalls eine Notlösung. Und die macht mich nicht glücklich.
Da ich zur Zeit im Homeoffice bin, habe ich ja aber nun jeden Tag die alleinige Verantwortung, etwas Gutes zu kochen, und glaubt mir, das ist für mich einerseits natürlich Pflicht, aber andererseits auch eine großartige Möglichkeit, genau das zuzubereiten, worauf ich Lust habe. Keine Abhängigkeit von den Ideen anderer oder der Karte eines Restaurants. Was mir im Lauf der Zeit klar geworden ist – Spontaneität ist toll, aber in der Küche ratlos vor den Vorräten zu stehen und nicht zu wissen, was man daraus kochen soll, ist nur so mittelspannend. (Ich kann zum Glück kochen und es gibt immer was, und in 95 Prozent der Fälle ist das auch lecker, aber:) Es geht nichts über einen groben Plan.
Da ich montags und Freitags frei habe, ergibt sich zwischen Freitag und Montag ein sehr langes Wochenende. So kaufe ich in der Regel Freitags ein und es reicht bis mindestens Montag für vier warme Mahlzeiten. Montags geh ich dann nochmal und es reicht wieder bis Donnerstag.
Grundsätzlich bin ich ein sehr intuitiver Esser. Ich esse, wann immer ich Hunger habe und dann auch, worauf ich Lust habe. Und zwar genau so viel, bis ich genug habe. Wer sich mit Essstörungen beschäftigt, stellt schnell fest, dass den Betroffenen ein normales Verhältnis zur Ernährung abhanden gekommen ist. Essen wird dabei eine andere Funktion zugeordnet, als es eigentlich hat. Essen wird zur Belohnung, zum Ersatz für Zuwendung, Essen wird dazu benutzt, sich zu bestrafen, entweder weil man es in sich hineinstopft und sich damit bewusst schadet, oder weil man es sich verkneift und sich damit ebenso schaden.
Keine Essstörung aber eine bedauerliche Sicht aufs Essen ist die Tatsache, dass für manche essen einfach bedeutet, das Hungergefühl zu beseitigen und den Bauch zu füllen. Dabei ist Ernährung ein sehr elementarer Teil unserer Existenz. Unser Körper erneuert täglich Zellen und regenriert sich, und das kann er nur mit dem tun, was wir ihm geben. (Menschen, die ihr Auto an der Tankstelle mit Super-Speed-Deluxe-Kraftstoff betanken, aber selbst gedankenlos Chemie-Convenience-Zeug in sich reinschaufeln, weil „man isst’s ja bloß“… )
Was gesundes Essen ist, weiß der Spur nach jeder. Fastfood, Burger, Hähnchennuggets und Softdrinks eher nicht, Gemüse, Obst und unverarbeitete Lebensmittel eher schon. Esse ich also niemals Burger und Pizza? Doch. Aber halt nicht oft. Und wenn, dann am liebsten selbstgemacht. Das Auge isst schließlich mit.
Ich esse wie oben schon beschrieben immer das, wonach mir ist, weil ich davon überzeugt bin, dass mein Körper weiß, was ich brauche. Und wenn er findet, dass ich eine große Portion Pommes brauche, dann wird er schon seine Gründe haben. Meistens findet er jedoch eher, ich könnte einen schön angerichteten Obstteller brauchen. Vielleicht habe ich einfach das Glück, dass ich gesunde Sachen liebe.
Ich verzichte deswegen aber nicht auf Fett und zähle keine Kalorien und die Waage im Bad wird hauptsächlich von anderen Familienmitgliedern konsultiert. So lange meine Jeans alle passen, ist wohl alles ok.
Einzige Herausforderung beim Kochen: Die Familie und ich sind nicht bei allen Lebensmitteln und ihrem Grad der Leckerheit (is that a word?) der selben Ansicht. Ich zum Beispiel liebe Oliven und Kapern, Kichererbsen und Kürbis, Grünkern und Graupen. Der Mann mag all das nicht unbedingt (isst es aber tapfer), das Kind liebt Kürbis, aber stochert im Rest eher lustlos herum. Und das Ding ist ja: Ich predige, wie heilig das Mittagessen ist, also kann ich auch nichts auf den Tisch stellen, was für den Rest eher eine Strafe ist.
Da ich komplett auf Fleisch verzichte, essen wir übrigens alle vegetarisch, jedenfalls mittags. (Nein, darüber gab es nie Diskussionen) Manchmal gibt es aber Fisch oder Garnelen oder Shrimps. Am Wochenende wird je nach Programm aufwendiger gekocht oder auch mal auswärts gegessen oder bestellt (so es denn geht).
Unter der Woche muss es dagegen meistens schnell gehen. Ich suche aus nach Jahreszeit, im Winter Rosenkohl und Ackersalat, im Sommer Tomaten und Freilandsalate, lieber regionale Äpfel als Birnen aus Südafrika, you get it. Wenn es irgendwas in Bioqualität gibt, bevorzuge ich das, kaufe im Zweifelsfall aber lieber Kulturchampignons aus Deutschland, als Bio-Kräuterseitlinge aus Japan.
Neulich hatte ich Lust, eine Gemüsebrühe zu kochen. Weil ich keine Gemüserest hatte, verarbeitete ich frische Karotten, Stangensellerie, Zwiebeln, Zucchhini, Knoblauchzehen und Lauch. Während des Kochen stiegen köstliche Düfte aus dem Topf und plötzlich hatte ich Mitleid mit dem Gemüse, das da schon eine gute halbe Stunde in der Brühe vor sich hinblubberte. Ich beschloss, dass die Brühe aromatisch genug ist (war sie wirklich) und seihte das Gemüse ab. Etwas ratlos jagte ich es kurz durch die Küchenmaschine, vermengte es mit etwas Mehl, reichlich Haferflocken und einem Ei und breit einen großen Teller voller kleiner Bratlinge daraus. (Halte mich zweifelsohne für die Hausfrau des Jahres)
Diese kleinen Taler gab’s mit Kräuterquark und einem bunten Salat. Neu auch diese Woche: Sushi. Ich habe mich nicht getraut, rohen Fisch zu verwenden, also gab’s eine vegetarische Variante. (Auf der Packung mit den Algenblättern stand, in der Tüte sei ein nicht-essbares Tütchen Trockenpulver. Ich habe keines gefunden, allerdings habe ich es erst gelesen, als wir alles das Sushi schon gegessen hatten. Ratet mal, wer sich seither ständig räuspern muss.)
Das wichtigste, so als Fazit, ist für mich, dass Essen Freude macht. Es soll mich nähren und mit allem versorgen, was mich gesund hält. Schokolade und Pizza gibt’s fürs Seelenheil, Kalorien sind nur Zahlen, wichtig ist es, das Gefühl für den eigenen Hunger und den eigenen Körper nicht zu verlieren – oder wieder zu finden. Und natürlich: Genießen. Aber das gilt ja eh immer.