20/12/23 – Tag 64 -Vom reinen Intervall, dem reinen Frust und dem im-Reinen-sein

Ich

Wie vor zwei Tagen bereits erwähnt: Es ist gut jetzt. Das Kind sagte dieser Tage in einem Anflug völliger Verzweiflung: „Immer MUSS ich alles, ich habe gar keine Zeit mehr für irgendwas Schönes, weil ich so viel Scheiß MUSS, MUSS, MUSS…“ Was soll ich sagen. Mit der Wahl der Schule haben wir Eltern die Situation irgendwie mitverbockt, dennoch: Die Lehrer der Grundschule waren sich einig, dass das Kind aufs Gymnasium gehört. So ganz grundsätzlich glaube ich das immer noch. Allerdings weiß ich nicht, ob ich mir unter Gymnasium das vorgestellt hatte, was es letztlich ist: Eine Bulimie-Lernanstalt. Ohne dabei Lehrern oder Schulleitern einen Vorwurf zu machen, die ja auch nur einen Lehrplan umsetzen. Einen, der unglaublich viel trockene und der kindlichen Lebenswelt ferne Theorie beinhaltet, die in großem Umfang und in knapper Zeit in die Köpfe gehämmert wird. Wir haben heute Intervalle auf der Klaviatur bestimmt und dann festgelegt, ob es sich um eine kleine oder große Terz oder gar um eine reine Quinte handelt. Dinge, die nice-to-have sind, finde ich. Aber ich habe drei Instrumente gelernt, gänzlich ohne um die Reinheit von Intervallen zu wissen. Irgendwie ging’s auch so.

Bevor jemand was sagt: Ja, ich verstehe, dass das Gymnasium die höchste Schulart ist und sich deren Schüler durchaus komplexen Sachverhalten und theroetischen Dingen widmen müssen. Aber besteht der Wert höherer Bildung darin, abstrakte und praxisferne Dinge zu wissen nur um ihretwillen? Weil man sich dann eloquent unterhalten kann mit anderen, die diesen Weg ebenso durchlaufen haben? Ist höhere Bildung allein dazu da, sich nach unten abzugrenzen? Das Kind war heute den Tränen nahe, klatschte den Ordner auf den Küchentisch und sagte „Wir lernen NUR Scheiß, den keiner braucht.“ So richtig gute Gegenargumente wollten mir nicht einfallen. Was also tun wir? Wir lernen den „Scheiß“ gemeinsam auswendig, damit er bei der nächsten Arbeit aufgeschrieben werden kann. Und dann vergessen wir ihn beide wieder. Wie bei einer Fress-Kotz-Attacke, nur eben mit kleinen, reinen Intervallen.

Sonst so? Das erste Weihnachtspaket ist verpackt, die erste von zwei privaten Weihnachtsfeiern vorbereitet. Wie gesagt, ich bin heilfroh, wenn die Woche rum ist und es endlich entspannter wird hier. Und wenn das MÜSSEN mal Pause hat.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Frühstück ist ausgefallen, war nochmal beim Doc, weil der Bauch immer noch zwackt. Neuer Verdacht: Es könnte der Zwölffingerdarm sein. Therapieversuch mit Pantoprazol, man wird sehen.

Gelesen: Intervalle.

Gesportelt: Nein, leider nicht

Gefreut über: Die Aussicht auf Weihnachten, dass sich langsam alles fügt… und die Freude auf liebe Menschen.

LaSignorina