10/12/23 – Tag 54 -Von Ruhetagen, Lieblingssuppen und schlechten Krimis

Ich

Ich geb’s zu: Ich bin ein Fan des Tatorts, allerdings selektiv. Ich mag die Teams aus Stuttgart, Köln und Münster. Umso mehr freute ich mich heute, als ich hörte, dass Thiel und Boerne wieder mit einem neuen Tatort dran sind. Aber dann – was ne Enttäuschung. Verwirrende Handlung, wenig Spannung, wenig Spaß. Schade. Dafür war der restliche Tag nicht schlecht: heute morgen spazierten wir nach einem ausgedehnten Frühstück durch die Stadt. Wir kochten mit dem Rest Kürbis nochmal Suppe, die diesmal alle tapfer mitaßen, und am Nachmittag wagte ich mich erneut aufs Laufband. Auch zwei Kilometer sind kein Problem, es geht aufwärts. Ansonsten war der Tag einfach entspannt. Muss auch mal sein.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Zwei Brote mit Räucherlachs, ein Ei, Kürbissuppe, Sauerkraut und Schupfnudeln, ein Joghurt und einen Apfel (klingt wild, war aber lecker)

Gelesen: Nichts relevantes

Gesportelt: 2km auf dem Laufband

Gefreut über: das entspannte Laufen und der schöne Spaziergang heute morgen

9/12/23 – Tag 52 und 53 – Von Sandaletten, die Flügel verleihen und vom festen Fernsehschlaf

Ich

Woran ich merke, dass ich alt werde? Ich bin in der Lage, innerhalb von zwei Minuten im Sitzen beim Fernsehen einzuschlafen. Noch vor zwei Jahren hätte ich mich dazu zumindest hinlegen müssen. Heute reicht es, wenn jemand das Licht dimmt und ich gemütlich sitze und mich anlehnen kann. Zack, Tiefschlaf Lustig wird es, wenn ich mich dagegen zu wehren versuche: Gestern Abend (der Grund, warum es gestern keinen Blogbeitrag gab) schauten wir eine Folge Harry Wild. Eine schrullige Literaturprofessorin, die in ihrem Ruhestand ständig über Leichen stolpert und ihrem Sohn, der eigentlich Polizist ist, die Fälle wegschnappt. An sich eine amüsante Story, aber gestern hielt ich ziemlich genau fünf Minuten durch, dann schlief ich das erste mal ein. Der Moment, in dem mein Kopf zur Seite wegkippt, fühlt sich an, als würde ich von einer Klippe fallen. Jedesmal zucke ich zusammen und bin für ungefähr 30 Sekunden hellwach. In diesen 30 Sekunden schnappe ich einen Serienschnipsel auf. Dann schlafe ich wieder ein, bzw. mache die Augen zu und bilde mir ein, ich könnte der Story ja auch folgen, wenn ich die Dialoge höre. Was, wie wir alle wissen, nie funktioniert. Und so sehe ich irgendwann etwas irritiert den Abspann über den Bildschirm laufen und versuche mir anhand meiner 30-Sekunden-Schnipsel zusammenzureimen, worum es überhaupt ging. Das Positive daran: Wer jede Folge zweimal guckt, hat mehr von der Serie. Aber das ist auch schon alles. Älterwerden ist nix für Weicheier.

Immerhin war ich am Morgen produktiv: Ich habe eine Auftragsarbeit abgeliefert, eine neue Idee ausgeheckt (Kurt und Uschi auf Weltreise, if you know, you know) und die alljährlichen Fotokalender fertig konfiguriert und bestellt.

Sonst so? Wer mich kennt, weiß um meinen Hang zu schönen Schuhen. (Wer hat da Schuhtick gesagt??) Seit Jahren schleiche ich um Sophia-Webster-Sandaletten herum. Wer sie nicht kennt: Sie zeichnen sich durch Schmetterlingsflügel aus, die oberhalb der Ferse flattern. Gestern stolperte ich erneut über die Schuhe, denn offenbar ist grade Sale im Hause Butterfly. Ich scrollte durchs Angebot, klickte diese und jene an und blieb immer wieder an dem Modell mit den goldenen Riemchen und dem orange-schwarzen Schmetterling hängen.

Ich beantwortete also kurz alle wesentlichen Fragen: „Sind die Schuhe praktisch? Nein. Sind sie schlicht? Nein. Kann man damit (auch als durchaus geübte Absatzträgerin) längere Strecken gehen? Nein. Braucht man Schuhe mit einem Schmetterling dran? Äh… nein. Sind sie schön? OH JA.“ Ich beschloss, trotz des eindeutigen Votums für den Kauf, noch eine Nacht drüber zu schlafen. Um sie schließlich heute morgen beim Kaffee zu bestellen.

Ja, es ist unvernünftig. Ja, andere Leute kaufen sich für das Geld viel sinnvollere Dinge. Auf der anderen Seite, wie das Tochterkind im Legoladen neulich manifestierte: „Wenn man sich mit Geld nie was Schönes kauft, ist es ja nur Papier.“ So begann mein Tag also mit einem Herzhüpf-Kauf, ich hoffe, sie passen und kommen heil hier an. Und dann muss es bitte ganz bald Frühling werden, denn ich hab schon tausend Ideen, wie man diese praktischen, dezenten Allround-Schuhe jeden Tag anziehen könnte.

Nachdem das Tochterkind und ich heute die einzigen Esser im Haus waren, kochten wir Kürbiscremesuppe, die der Hausherr nicht mag, ich räumte im Haus rum und heute Nachmittag machten wir uns gemeinsam ans Kulissenmalen für das geplante Theaterstück. Die Hälfte haben wir.

Und weil ich mich so langsam wieder fit fühle aber trotzdem noch vorsichtig bin, wagte ich mich einen Kilometer aufs Laufband. Nach 500 Metern begann ich, loszulassen und es zu genießen. Die Lunge macht keine Zicken, einzig die Waden haben ein bisschen gemeckert. Der Bauch tut nicht weh beim Laufen, auch das war vor zwei Wochen noch anders. Hoffen wir also, dass ich demnächst wieder richtig back on track bin. Am Montag geht’s erstmal endlich wieder boxen. Was freu ich mich!

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Joghurt mit Crunch, zwei Teller Kürbiscremesuppe mit frischem Brot dazu, heute Abend zwei Brote mit „Leberwurst“ (was Veggies halt so essen stattdessen), darauf ein bisschen Camembert und zwei Spiegeleier. Danach einen Apfel. Womöglich noch eine Handvoll Nachos. Der Sport hat mich ja bald wieder.

Gelesen: Bestellbestätigungen und nette Mails

Gesportelt: Ha, ein gejoggter Kilometer

Gefreut über: SCHMETTERLINGSSCHUHE, ich meine, HALLO?!

7/11/23 – Tag 51 – Wie ich mal vom Küchentisch ins Frankfurter Bahnhofsviertel teleportiert wurde, von Lernfortschritten und dem richtigen Maß der Dinge

Ich

An manchen Tagen fühle ich mich unfähig. Unfähig, richtig zu handeln, Dinge richtig einzuschätzen, richtig zu reagieren. Es scheint, als wäre mir das richtige Maß abhanden gekommen, als hätte sich die Welt gegen mich verschworen, als hätte ich ein Abo aufs Schieflaufen gewonnen.

Nachdem der Nikolaustag so einer war, war heute besser. Begonnen hat mein Tag allerdings mit einem Schock. Ich hatte mich selbst morgens aus dem Bett argumentiert, redete mir auf dem Weg zwischen Schlafzimmer und Kaffeemaschine ein, dass heute ein neuer Tag sei und bestimmt alles besser laufen würde. Ich setzte mich seufzend mit einer Tasse Kaffee zu meinem Mann an den Küchentisch, der aufsah und mich mit einem amüsierten Blick bedachte. „Wasn?“, nuschelte ich. Und beobachtete aus dem Augenwinkel, dass er sein Handy auf mich richtete. „Nix“, schmunzelte er. „Du hast nicht grad ein Foto von mir gemacht, oder?“, wollte ich einigermaßen alarmiert wissen. „Guck selbst“, sagte er. Auf meinem Handydisplay ploppte eine Nachricht auf. Und das Foto, das sich dann öffnete, offenbarte das gesamte Grauen. Zu sehen war eine Frau, die seit drei Jahren obdachlos am Frankfurter Bahnhof unter Pappkartons schläft und mit Taschendiebstahl und schlimmerem ihre Chrystal-Meth-Sucht finanziert, die sie schwer gezeichnet hat. Die Haare standen ihr wirr und strähnig, fast elektrisiert vom Kopf ab, ein Auge war halb geschlossen und sah ein wenig geschwollen nach Veilchen aus, ihre Stirn hatte die Frau in sorgenvolle Falten gelegt, den Mund debil halb geöffnet. Sie blickte leer und verloren in das Objektiv ihres Fotografen. Interessanterweise trug sie meinen Schlafanzug und trank in meiner Küche Kaffee aus meiner Lieblingstasse.

Ich schluckte. Dann lachte ich. Dann erstarb mein Lachen wieder. Sofort setzte ich mich gerade hin, strich mir durch die Haare und klopfte mir auf die Wangen. „HAST DU DEN ARSCH OFFEN DAS IST NICHT DEIN ERNST!“, wandte ich mich entsetzt an mein Gegenüber. Dann starrte ich wieder auf das Foto von Disneys Cruella kurz vor ihrem Ableben. Ja, die Lage war ernst. Wer morgens so aussieht, hatte definitiv nicht den besten Tag hinter sich, denn nicht einmal eine durchschlafene Nacht hatte wohl noch etwas retten können. Um es vorweg zu nehmen: Nach einer Dusche und nachdem die Frisörin am selben Morgen noch den grauen aschigen Ansatz wieder in ein harmonisches Blond verwandelt hatte, nach einer Tuchmaske und einer Tasse Tee fühlte ich mein Spiegelbild wieder. Das Foto vom Morgen ist mir aber eine stete Mahnung, gut auf mich aufzupassen. Ain’t nobody got time for Frankfurter-Chrystal-Meth-Braut. Holy shit.

On a more positive note: Das Kind meldete schon auf dem Heimweg, dass die Klassenarbeit, deretwegen wir uns am Vortag so in die Wolle gekriegt hatten, „voll leicht war“ und sie ein sehr gutes Gefühl habe. Den Satz „dann hätt ich ja gar nicht so viel lernen brauchen“ atmete ich weg, wie ich es in der Geburtsvorbereitung gelernt habe. Am Nachmittag lernten wir Englisch-Vokabeln miteinander und ich hoffe und bete, dass das Kind sich erinnert, dass „ridge“, „rich“ und „right“ drei völlig verschiedene Dinge sind, dass es nicht santanz sondern sentence heißt und dass boring nirgendwo mit einem a geschrieben wird. Ich bin so froh, wenn der Marathon an Lerndiesundlerndasundwirwiederholen demnächst eine weihnachtliche Pause macht. Ich kann mittlerweile die Unterarten der Biologie ebenso herunterbeten wie die Entwicklungsstufen von Hundewelpen im Mutterleib und die Brennzonen einen Kerzenflamme, aber ich wollte eigentlich nicht nochmal Abitur machen. Sei’s drum.

Und sonst so? Ich habe mir zur Feier des Tages eine Staffel Harry Wild bei Amazon gekauft. Die erste Folge fand ich gut, die zweite glaube ich auch, leider habe ich sie zu großen Teilen verschlafen. Aber das Foto am Morgen lehrt mich: Unausgeschlafen ist alles viel schlimmer, und wer Stress hat, muss ja nicht auch noch scheiße aussehen.

Die Kurznachrichten des Tages

Gegessen: Ein schnelles Müsli mit Milch vor dem Fristörtermin, Backfisch mit Ofenkartoffeln und Lauchgemüse, abends die Reste plus einen großen Lebkuchen

Gelesen: Englischvokabeln, derer viele

Gesportelt: Nada. Keine Zeit und noch keine Power.

Gefreut über: Die Serie, den Lebkuchen, den Erfolg des Tochterkinds. Und einiges mehr.

6/12/23 – Tag 50 – Vom Nikolaus, der Rute und warum manchmal nur noch Tiefkühlpizza hilft

Ich

Es gibt Tage, die man sich aus der falschen Kiste geholt hat. Aus der mit dem Totenkopf drauf, aus dem Giftschrank. Der Nikolaustag war so einer. Eigentlich begann er ganz harmonisch – das Kind glaubt immer noch so ein bisschen an den Nikolaus, jedenfalls traut sie mir, die ich morgens zombiegleich mit zerzausten Haaren beim Kaffee in der Küche sitze, nicht zu, dass ICH es gewesen sein könnte, die schon Stiefel befüllt hat. Also muss es ja irgendwas Magisches sein. In meinem Stiefel war nichts (sie hatte ihn trotzdem für mich vor die Tür gestellt, man weiß ja nie), und das, obwohl sie so eine nette Karte daran gehängt hatte: „Lieber Nikolaus, Mama kann zwar nerfig sein, aber sie ist die beste.“ Nun.

Nachdem ich die Lütte zur Schule gefahren hatte (unser agreement jetzt – lieber fahre ich zehn Minuten als dass ich uns um zehn vor sieben (!) aus dem Haus hetze durch die Nacht zur Bushaltestelle… den Stress sparen wir uns), hatte ich Lust auf ein bisschen Bewegung. Weil es aber immer noch klapperkalt ist und mich die kalte Luft zum Husten bringt wie eine Aussätzige, beschloss ich, auf dem Laufband zu spazieren. Nach knapp 3km wollte ich Pause machen und fand dann die Motivation nicht mehr zum Weitermachen. Was soll’s. Das eigentliche Drama begann jedoch am Nachmittag, als ich versuchte, dem Tochterkind nahe zu bringen, dass es Zeit fürs Lernen ist. Ich habe motiviert und gelobt, an die Vernunft appelliert, gebeten und geködert, irgendwann angeordnet und verdonnert und am Ende waren wir beide mit den Nerven völlig am Ende: Ich, weil ich das Gefühl hatte, ich rede mit einer Wand, und die Wand, weil die Mutter zwar Recht hatte aber halt unfassbar „nerfig“ ist. Ich lamentierte und wütete, drohte und bettelte, sie giftete und stampfte mit den Füßen, kreischte und heulte. Und am Ende flogen Ordner. „IMMER MUSS ICH ALLES!“, hörte ich noch, bevor die Tür zukrachte. Das war für mich einer der Schlüsselsätze, neben „Ich weiß doch selber nicht, warum ich grad so bockig bin.“ Hallo Pubertät, komm rein. Mit Dir haben wir insgeheim gerechnet, aber mach’s dir nicht allzu gemütlich, Du bist ein anstrengender Gast. Erkenntnis: Nein, meine Geduld ist nicht unendlich. Und nein, nicht immer verhalte ich mich pädagogisch sinnvoll, manchmal bin ich impulsiv und verliere die Nerven. Auch Mütter sind nur Menschen. Ich hatte fairerweise auch nix im Nikolausstiefel, will’s nur noch mal erwähnt haben. 🙂 Was natürlich nichts daran ändert, dass ich mein Kind mehr liebe als irgendwas anderes auf der Welt und bereit bin, jeden Kampf, der nötig ist, mit ihr und für sie auszufechten.

Nach allem Gegifte lagen wir uns in den Armen und die Welt war wieder in Ordnung, wir fuhren in den nächsten Supermarkt, kauften Tiefkühlpizza und versicherten uns kurz darauf mampfend mit vollen Backen, dass wir sowas beide völlig doof und unnötig finden (also zu streiten, die Pizza war durchaus nötig) und morgen ein neuer Tag ist. Ich lag eine Stunde später auf dem Sofa und schlief. Als nächstes kommen Englischvokabeln. Ich setze den Helm auf und denke an die Macht der Pizza.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Griechisches Joghurt mit Banane, Blaubeeren, Beeren-Müsli, Maultaschen in Tomatensoße, TK-Pizza mit Gemüse und Käse

Gelesen: Schulaufgaben, Arbeitsblätter, nichts, was Spaß macht.

Gesportelt: 2,8 km auf dem Band spaziert. Bin noch vorsichtig nach Corona.

Gefreut über: Die Versöhnung am Ende des Tages und die Pizza. Ain’t nobody got time for Zank und Zoff.

5/11/23 – Tag 49 – Von Pisa und dem Vorweihnachtsdruck

Ich

Die Energie ist wieder da, jedenfalls war sie das heute morgen. Nachdem ich das Kind an der Schule abgeliefert hatte, startete ich daheim mit dem Hausputz durch. Da hat man Corona überstanden, dann will man ja nicht Opfer einer Staublunge werden, ne?

Beim Feudeln lauschte ich einer Diskussion über die Ergebnisse der Pisastudie. Wir haben schlechter abgeschnitten als vor 20 Jahren. Damals hat die Pisastudie einen Schock ausgelöst, es scheint mal wieder notwendig. Es fehlt beim Lesen, Schreiben und Rechnen, es fehlt an Lehrern, es fehlt an Bildungsgerechtigkeit. Die Kinder mit Migrationshintergrund sind es nicht, die den Schnitt drücken, denn auch in Gymnasien, die nicht die Masse der zugewanderten Schüler auffangen müssen, sind die Leistungen abgerutscht. Eine Patentlösung habe ich nicht, aber aus eigener Beobachtung stelle ich fest, dass graue Theorie in Kinderköpfe zu stopfen die Lust aufs Lernen im Keim erstickt. Aber was weiß ich schon.

Und sonst so? Ich habe fast alle Weihnachtsgeschenke beisammen und kann mir Gedanken um die Kür machen. Ich habe beschlossen, mir grundsätzlich keinen Druck zu machen, was Plätzchen, Deko oder Weihnachtspost angeht. Ich mache, worauf ich Lust habe, so viel Folklore ist eh nicht mein Fall. An anderen Orten der Welt geht selbige unter, da ist es irrelevant, ob bei mir die Deko sitzt. Aber das erste Kerzlein brennen wir dann doch mal an. Morgen oder so.

Die Kurznachrichten des Tages

Gegessen: Joghurt, Banane, Blaubeeren, Crunch. Gemüsecurry mit Reis, heute Abend Reste davon. Außerdem eine heiße Gemüsebrühe aus der Tasse, hatte plötzlich Lust drauf.

Gelesen: SZ-Artikel über Eltern-Whatsappgruppen, herrlich, bin froh, in keiner zu sein.

Gesportelt: argh.

Gefreut über: Hab was verschenkt und jemandem eine Freude gemacht.

4/12/23 – Tag 47 und 48 – Vom Stillstand der Zeit, der mühsamem Suche nach dem Schwung und dem Haar, wo es nicht hingehört

Ich

Krank zu sein ist ja wirklich so unnötig wie ein Kropf. Man fühlt sich zu nichts imstande, was mehr Aktionismus fordert, als Teekochen und die Fernbedienung fernzubedienen. Ich habe eine Woche lang mehr oder weniger auf der Couch verbracht. Es gab wirklich nichts zu erzählen, außer Euch hätte der statistische Taschentuchverbrauch interessiert. Fand das aber eher so mittelunterhaltsam. Mittlerweile ist das komplette Haus coronadurchseucht, wir Mädels sind immerhin wieder negativ. Aber so richtig den alten Schwung habe ich noch nicht wieder gefunden. Zwar strukturiert der Stundenplan der Kurzen den Tag (ratet mal, bei wem morgen die erste Stunde ausfällt!), aber ich gehe alles noch wie mit angezogener Handbremse an.

Und wer auch immer einmal das Gerücht der besinnlichen Vorweihnachtszeit in die Welt gesetzt hat, hatte entweder keine Familie oder keinen Job oder kein Leben. Besinnlich finde ich im Moment nämlich noch gar nichts, meine To-Do-Listen werden länger statt kürzer („ach, Du hast doch grad so viel Zeit? JA! NEIN! OOOHH!“) und alles, was ich erledigen wollte, „wenn mal Dezember ist“, ist ungefähr jetzt fällig, weil bereits Dezember ist. (Wie ich im August noch dachte, ich könnte ja gleich mal Weihnachtsgeschenke organisieren und es dann nicht getan habe, weil reicht ja noch im Dezember…) Da hat die Woche Krankenstand irgendwie nicht geholfen.

Ähnliches werden sich auch die Lehrer meiner Tochter gedacht haben, denn wir lernen neben dem Zauber der attributen Adjektive auch die Bestandteile einer Kerzenflamme, Energieflussdiagramme und Englischvokabeln auswendig. AUSWENDIG, um das meiste davon nach getaner (Klassen-)Arbeit wieder zu vergessen. Apropos Kerze: Vor lauter Unbesinnlichkeit haben wir völlig vergessen, am Sonntag die erste Kerze anzuzünden auf unserem spartanischen schwarzen Adventsstern mit den vier cleanen weißen Kerzen. Die ich mit viel Kraft in die vorgesehenen Löcher drücken musste um sie standfest zu bekommen, so dass ihr unteres Ende jetzt aussieht, als hätte eine Maus sie in Form genagt.

Und sonst so? Der Winter hat uns bis über die Ohren mit Schnee eingedeckt, die Landschaft ist in ein dickes, weißes Kleid gehüllt. Optisch ein Traum, mein Lieblingsschrittesammelweg ist allerdings eine ziemliche Eispiste geworden. Heute morgen habe ich beim vorsichtigen Auswildern eine ziemliche Rutschpartie hingelegt. Aber die Stunde an der frischen Luft war gut und wichtig. Meine Boxstunde habe ich schweren Herzens auf kommende Woche verschoben, weil ich noch immer huste und mich nicht hundertprozentig fit fühle. Aber kommt Zeit, kommt Boxhandschuh. Und Besinnlichkeit. Ganz bestimmt.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Ein griechisches Joghurt mit Banane und Müsli, Spaghetti mit Tomatensoße für mich, mit Bolo für den Rest, zwei Brote mit Paprikaaufstrich und Käse und zwei kleine mit Butter und Honig. Weil endlich wieder guten Hunger, ich habe ruckzuck ein Kilo verloren in der Coronawoche.

Gelesen: Dinge aus dem Schulordner meiner Tochter. Über Biomasse, fossile Energien, Energieflüsse, Kerzenflammen und und und. Ansonsten nicht viel Sinnvolles.

Gesportelt: knapp vier Kilometer Schritte gesammelt, das ist besser als nix.

Gefreut über: Strolch. Das ist die dicke Katze der Klavierlehrerin meiner Tochter, die mich, die ich Katzen sehr skeptisch gegenüberstehe, ein bisschen kuriert hat. Jedesmal, wenn ich im Klavierzimmer sitze und aufs Kind warte, hüpft der getigerte Kater auf meinen Schoß und schaltet seinen Brummton ein. Dass er mir heute ein ultrafeines Katzenhaar hinterlassen hat, das seinen Weg unter meine linke Kontaktlinse gefunden hatte – verziehen. Ich sah nach 10 Minuten Heimfahrt aus wie ein einäugiges Albinokaninchen, aber gut gespült ist halb gewonnen.

2/12/23 – Tag45 &46 – Von der Rekonvaleszenz und dem Einigeln

Ich

Es gibt hier krankheitsbedingt leider nix Neues, außer, dass ich wieder negativ bin aber noch in den Seilen hänge. Rekonvaleszenz. Heute war ich zumindest eine Runde im Schnee spazieren und habe frische Luft geschnappt. Auch der Appetit war heute zum ersten Mal wieder halbwegs normal. Also macht euch keine Sorgen, wenn’s hier grad still ist – es gibt grad einfach nix zu erzählen… heute ist nicht alle Tage, …

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Joghurt mit Knusperzeug, Knödel, Soße, Kartoffelbrei, heute Abend Hering aus der Dose (hatte ich ewig nicht) mit Brot.

Gelesen: nichts Relevantes

Gesportelt: neeeeeiiin…

Gefreut über: Raus zu können

30/11/23 – Tag 44 – Von positivem Negativem und der kleinen Blase

Ich

Gebannt starrte das Tochterkind auf den Coronatest, in dessen Sichtfeld sich die rosa Flüssigkeit langsam emporzog. Statt des eindeutigen Coronanachweis-Strichs tauchte zuerst der Referenzstreifen auf. „Wir müssen abwarten“, sagte sie entschieden, offenbar der Meinung, stetes Starren könnte den zweiten Streifen aufs Papier zaubern. Aber alles Starren, Drehen, Wenden und gegen-das-Licht-halten half nix: Der zweite Strich blieb aus, das Kind ist wieder seuchenfrei. Und somit morgen wieder Unterrichtsteilnehmer. So wenig sie Corona mag, so wenig sie Kranksein überhaupt toll findet – was ist eine verstopfte Nase und ein bisschen Nupfn schon gegen MATHEMATIK, die, in ihren Augen, die schlimmste Seuche überhaupt.

Nun ja, Eltern und die ganze Welt können ungerecht und doof sein, es hilft aber alles nix, morgen klingelt der Wecker wieder kurz nach sechs. Meiner im Übrigen auch, auch wenn das frühe Aufstehen meine ganz persönliche Pest ist, aber ich habe auch keine Wahl. Mein Test war heute morgen stramm positiv, ich teste morgen wieder. Für jeden negativen Test scheint im Haus im übrigen ein anderer krank zu werden – jetzt ist der Schwiegerpaps Team Doppelstrich, zum Glück symptomfrei.

Meine Blase ist in dieser Woche noch ein ganzes Stück weiter geschrumpft. (Also, nicht DIE Blase, die ist zum Glück noch ganz fit.) Aber während meiner Auszeit lebe ich ohnehin ein wenig in meiner eigenen Welt, flachliegend auf dem Sofa ist mein Radius noch ein gehöriges Stück kleiner geworden. Ich habe es diese Woche immerhin die Straße rauf und runter geschafft und mit dem Auto in den Nachbarort, um Hausaufgaben abzuholen. Fühlte sich fast wie ein Roadtrip an. Wenn ich morgen wieder fit bin, werde ich einkaufen gehen, so richtig im Supermarkt mit bunten Dingen und anderen Menschen. Ha. (Vielleicht übertreibe ich ein wenig, aber es fühlt sich derzeit an, als lebte ich unter einem Stein.)

Der Bauch war heute tagsüber völlig schweigsam, also so, wie sich ein Bauch irgendwie anfühlen sollte. Dass ich morgens beim Aufwachen noch immer die schmerzende Stelle fühle, sei kein Grund zur Besorgnis, versicherte mir mein Hausarzt heute auf Nachfrage. Eine oder zwei Wochen lang sei das noch absolut im Rahmen, der Darm müsse abheilen und sich einkriegen. Das beruhigt mich ungemein, denn der kleine Hypochonder in mir war sich heute mittag zwischenzeitlich fast sicher, einen Gallenstein und / oder eine Leberzirrhose zu haben. Was man halt so hat, mit 43. Gucke ich in meinen Browserverlauf, stehen da Dinge wie „Wie schnell wächst ein Gallenstein“ oder „Wie fühlt sich kranke Leber an“. Memo an mich (und an alle, die das brauchen können): Lass es. Dr. Google ist ein schlechter Ratgeber. Und trotzdem konsultiere ich ihn hin und wieder und bin nach dem echten Doc-Besuch meist erleichtert, dass ich doch nicht unmittelbar sterbe. Also auch in Sachen Bauchgefühl: Trust the (Heilungs-)process. Und jetzt muss ich schnell wieder unter meinen Stein. Wenigstens noch bis morgen.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Frühstück ist ausgefallen, glaube ich. (MEIN HIRN! Der Stein ist vielleicht doch ein bisschen zu schwer…) Mittags gab es Zucchinireispfanne mit Feta, heute Abend dann das Frühstücksprogramm: Hüttenkäse mit Blaubeeren, Nussmus, Haferflocken und Honig.

Gelesen: Arbeit meiner Kollegen, also der paar, die noch arbeitsfähig sind.

Gesportelt: Ich möchte nicht darüber sprechen. Fühle mich wieder wie Toastbrot.

Gefreut über: Dass das Kind attributiv und adverbial auseinanderhalten kann, we’re getting there. Wenn wir mit Deutsch durch sind, lernen wir BNT (wie Bio nur besser, sagt das Kind). Und Englisch-Vokabeln. Es hört einfach nie auf.

29/11/23 – Tag 43 – Von laaaangem Warten und Lehrplänen aus der Hölle

Ich

So, Hefte raus, wir schreiben einen Test: Wer von Euch weiß, was ein attributives Adjektiv ist? Schmitz? Nein? Setzen. Ein prädikatives? Niemand? Ein adverbiales? Was ist der Numerus, Genus, Kasus des Nomens im Satz „Das Laub der drei Eichen lag dürr am Boden? LEUTE! Das ist Grammatikgrundwissen, Klasse fünf! Wie hieß es in der Aufgabe des Tochterkinds: „Vor lauter Schreck verschluckt Antonia ein Bonbon“ – Ich weiß nicht, wer diese Antiona ist, aber I feel you girl.

Nix gegen höhere Bildung. Wer die höchste Schule im System besucht, muss sich mit komplexen Aufgaben auseinandersetzen können und wollen. Aber wie an der Lebenswirklichkeit vorbei ist es bitte, wenn man von Elfjährigen erwartet, dass sie lateinische Fachbegriffe für grammatikalische Sachverhalte gerne lernen wollen? Und ist dieses „gerne lernen wollen“, das als wunderbarer Motor funktionieren könnte, nicht im Grunde in den Kindern verankert? Und wir machen es von Anfang an kaputt, indem wir den jungen Menschen Dinge vorsetzen, die sie mit Mühe auswendiglernen aber in der Kürze der vorgesehenen Zeit nur halb verstehen und dann sehr schnell und sehr gerne wieder vergessen?

Es ist weder für das Kind, noch für den, der mit ihm lernt, schön, die Frustration zu spüren, die sich von der ersten Stunde an ohne Not breit macht. Ich fühle mich am Ende der Hausaufgaben wie ein fucking Latein-Wörterbuch. Nichts gegen die Lehrer, die sicher nach Kräften versuchen, die Vorgaben umzusetzen. Aber möglicherweise wäre es hilfreich, in der Lebenswirklichkeit der Kinder anzusetzen und in der kommt die rein theoretische Kenntnis vom Unterschied zwischen prädikativen, adverbialen und attributiven Adjektiven schlicht nicht vor.

Ich mache beruflich was mit Sprache und habe aus Interesse heute zwei Kolleginnen gefragt, ob sie erklären könnten, welche Adjektivform was bedeutet. Ihnen ging’s wie mir – sie wussten’s nicht. Auch ich musste erstmal googeln. Was zeigt uns das? Wir haben alle drei Abitur und arbeiten im selben Berufsfeld. Unser Deutsch ist grammatikalisch sicher sehr passabel und auch ansonsten gehen wir ganz solide durchs Leben. Aber niemalsnicht kamen wir jemals im Alltag in die Situation, in der uns nur noch das Wissen um ein prädikatives Adjektiv geholfen hätte.

Stattdessen brauchen wir einen Steuerberater wenn das Finanzamt; und IT-Fachleute, wenn der Laptoplüfter pfeift. Wir müssen unsere Miet- und Arbeitsverträge von einem Rechtsbeistand angucken lassen und haben keinen Plan, wo die Zündkerzen am Auto sind. Aber wir haben Abitur. Ein Hoch auf unsere Bildung.

Und sonst so: Ich wollte mir heute ganz tapfer einen Termin für eine Darmspiegelung machen (kann ich auch nicht selbst! NIX kann ich!) und wunderte mich bei der Terminauswahl ganz kurz, ob ich mehrere Monate im Koma gelegen habe und warum mir das niemand gesagt hat. „Der nächste Termin ist im August“, sagte die Dame. „Oh, ich weiß nicht, ob ich so kurzfristig kann“, erwiderte ich. Humor ist offenbar nicht nur bei TÜV-Prüfern eher keine Kernkompetenz. Wie ich also mal dachte, das, ähem… Filmteam rücke noch dieses Jahr an – ich hatte ja keine Ahnung. Und das trotz Abitur.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Hüttenkäse mit Apfel, Gemüsemaultaschen überbacken und das obligatorische Käsebrot.

Gelesen: Den Rest von George Orwell’s Farm der Tiere. Beeindruckende Fabel, hat mich nachdenklich gemacht.

Gesportelt: I wish…

Gefreut über: Dass zwischen dem ganzen Frust über „wozu brauch ich das“ auch noch ein bisschen Motivation geblieben ist.

28/11/23 – Tag 42 – Von the same procedure und ganz neuen Jobmöglichkeiten

Ich

Ich gebe zu, die Überschrift verspricht ein bisschen mehr als ich halten kann. Ich habe keine ernsthaften neuen Jobwechselpläne (als die, die ich in schöner Regelmäßigkeit habe, nämlich, alles hinzuschmeißen und auszuwandern, aber ich bin bisher immer dageblieben). Allerdings tun sich mir, die ich ja grade unendlich viel Zeit habe, das Netz zu durchforsten, ganz neue Ideen auf. Gestern wurde mir die „Akademie für Waldbaden und Gesundheit“ vorgeschlagen, bei der ich mich zur Kursleiterin für Waldbaden ausbilden lassen könnte. Ein bisschen musste ich ans Jodeldiplom denken, da hätte ich dann was eigenes…

Einen Tag vorher stolperte ich über die „Zentralstelle für Ausbildung im Detektivgewerbe“ – klingt ein bisschen nach DDR-Geheimdienst, gibt’s aber wirklich. Vielleicht mach ich einfach beides und treibe mich später im Trenchcoat im hiesigen Forst herum. Aber vermutlich hab ich dann ruckzuck neue Probleme. Kann ich auch die alten behalten. Hab ich auch – habe mich heute dazu entschlossen, beim alten, neuen Arbeitgeber zu bleiben. Die Ermittlerei muss auf die Rente warten.

Und sonst so: Das Kind und ich sind immer noch positiv, dieser zweite Strich hält sich so hartnäckig wie Fliegendreck auf der Scheibe. Wir halten also tapfer weiter die Füße still und warten geduldig (haha) ab, wann sich was da was tut. Der Bauch immerhin hat heute 95 Prozent des Tages völlige Ruhe gegeben, ich hoffe, das setzt sich jetzt in die richtige Richtung fort. An der Schonung liegt’s jedenfalls nicht. Dass mir die Decke auf den Kopf fällt, ist vielleicht nicht unbedingt zuträglich, vielleicht spaziere ich morgen eine vorsichtige Runde um den Block. Oder ich geh Waldbaden. Unzertifiziert.

Die Kurznachrichten des Tages:

Gegessen: Müsli (gut gekaut), zwei Gemüsemaultaschen, einen Laugenknoten mit Käse und eine kleine Gurke.

Gelesen: Immer noch George Orwell.

Gesportelt: Neihein.

Gefreut über: Gesundheitliche Fortschrittchen und die gute Bionote des Kindes, die uns im Krankenlager erreicht hat.