Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht staunend neben meinem Kind sitze und förmlich höre, wie es in ihrem Kopf knistert, wie sie sich im Lockdown notgedrungen selbst neues Wissen erschließt, durch Wiederholungen verfestigt (und noch mehr Wiederholungen augenrollend ins Heft kritzelt). Auch ich kann mittlerweile das Jahreszeitengedicht fehlerfrei aufsagen (Oktober fährt Kartoffeln ein!) und das Zustandekommen eines Schaltjahrs erklären, ich kann Eck- und Zielsteine berechnen und bin mit Eulalia, Simsala und Bim auf Du und Du.
Und was soll ich sagen: Jetzt sitzt da ein kleiner Mensch und saugt Wissen in sich auf, stellt Zusammenhänge her, wendet gestern Gelerntes heute auf neue Aufgaben an und wächst und reift. Während ich daneben sitze und mache, was ich halt immer mache. Und doch nicht so ganz: Denn seit einigen Wochen habe ich ebenso Spaß daran gefunden, ein bisschen mit zu wachsen.
Und weil ich im Hunderterbereich echt schon sehr sicher rechne, habe ich mir andere Bereiche zum Lernen gesucht. Und beschlossen, dass eine Investition in eine Armani-Jacke zwar schön ist, aber eine Investition in mich selbst wesentlich nachhaltiger. (Btw: Die zweite Jacke passte dann nachdem KaDeWe wohl selbst nicht so recht wusste, wie man italienische in deutsche Größen umrechnen, Simsala und Bim sag ich da nur).
Ich habe also, wie neulich erzählt, ein Jahresabo eines Sprachmagazins abonniert. Und mich für ein weiteres Semester Italienisch angemeldet. Am Montag habe ich mir Zeit genommen, mal wieder einen Pinsel in die Hand zu nehmen. Selfcare ist eben mehr als Hyaluronmaske und Bodylotion und Duftkerzen. Denn neben all dem Pläne abarbeiten, einkaufen, kochen, alles um den Job im Homeoffice nebst Homeschooling Kind herumzubasteln und den Überblick nicht zu verlieren, brauchte ich dringend auch mal wieder Zeit für kreatives Schaffen.
Und je mehr ich über all das nachdachte, desto bewusster wurde mir, dass die Zeit für eine Investition in mich selbst gerade wie prädestiniert ist. Ich bin bei weitem nicht so getaktet von außen wie in „normalen“ Zeiten, ich kann vieles entspannter angehen, allein die Fahrtwege, die ich mir gerade spare, ermöglichen so manches gelesene Kapitel mehr.
Stichwort lesen: Ich habe mir ein Buch zum Thema Recherche gekauft (und verschlinge es geradezu, weil die Beispiele darin sehr anschaulich sind und ich das Gefühl habe, an mancher der beschriebenen Schwellen auch schon mal gescheitert zu sein), und mich vom besten Kollegen der Welt von einem Seminar überzeugen lassen, das sich ums Auskunftsrecht für Journalisten dreht. Ich will gar nicht wissen, von wievielen Behörden ich schon abgefertigt wurde, ohne so richtig an die Antworten zu kommen, nach denen ich gefragt hatte. Ich bin sehr gespannt, wieviel schlauer ich nach dem Seminar bin.
Ähnlich geht es mir auch mit dem Thema Finanzen, ich ahne, dass es relativ viel gibt, was ich nicht weiß und irgendwie beunruhigt mich das. Ich habe mir also gleich auch dazu ein Buch gekauft („legen Sie ein Haushaltsbuch an. Wofür haben Sie in den letzten zwei Tagen Geld ausgegeben?“ „Bücher über Finanzen!“ Nein, Spaß, das Buch ist gut strukturiert, gut zu lesen und vermittelt die Kenntnisse, die mir fehlen. Beware, Wallstreet.) Denn nicht nur die berufliche Fortbildung bleibt im Alltag oft auf der Strecke (man schafft den ganzen Tag und irgendwann braucht man auch mal Abstand zum Job, auch wenn man ihn noch so sehr liebt), auch die eigene Altersvorsorge ist ein Thema, zu dem insbesondere Frauen keinen rechten Draht zu haben scheinen. Ich habe mich zwischenzeitlich in ETF-Sparpläne eingelesen, weiß, was der MSCI World ist und habe beschlossen, mich von dem Thema nicht länger schrecken und/oder langweilen zu lassen.
Es ist ein bisschen außerhalb meine Komfortzone, aber ich bin grad ganz gerne da draußen. Wer weiß, wie lange ich noch Zeit dafür habe, bevor mich der Alltagstakt wieder einholt.
Was habt ihr zuletzt für Euch getan, in Euch investiert, dazugelernt? Vielleicht ist da auch was für mich dabei?