„Ich habe heute leider kein Bild für Dich …“

Um es vorneweg zu nehmen: Ich liebe meinen Job sehr. Ich empfinde Schreiben als so nötig wie Atmen, liebe gute Geschichten, habe Spaß an der Recherche. Als Lokalredakteurin ist man tatsächlich nah dran an den Menschen, schreibt über lokalpolitische Prozesse und ordnet sie ein. In einer Sprache, die zum Beispiel komplexes Baurecht so für den Laien herunterbricht, dass er die Entscheidungen der Verwaltung begreifen und selbst bewerten kann. Man porträtiert Menschen und ihre Lebensgeschichten, arbeitet öde Haushaltszahlen so auf, dass sie lesenswert werden und hält die Entwicklung der eigenen Heimatstadt fest. Kurz: Der schönste Beruf ever. Auch wenn wir intern oft um Formulierungen ringen, um den richtigen Umgang mit heiklen Themen, um den richtigen Ton, um die richtige Größe und die richtige Einordnung. Was nach außen flott dahingetippt wirkt, hat oft eine längere Vorgeschichte, als der Leser glaubt.

Ein Teil des Jobs: Wir stehen in der Öffentlichkeit. Damit lebt man, es ist eine Begleiterscheinung, die viele Berufe und auch Ehrenämter eint. Ein Gemeinderat muss sich für sein Abstimmungsverhalten rechtfertigen, Ein Fußballtrainer für seine Mannschaftsaufstellung. Doch so sehr man sich an Fakten und Vernunft hält, nicht immer wird von allen Seiten gouttiert, was am Ende im Blatt zu lesen ist. Auch das liegt in der Natur der Sache. Denn eines habe ich gelernt: Fakten sind erstaunlich interpretationsfähig. Und als ich jüngst schrieb, mir sei Hass und Häme entgegengeschlagen, haben mich viele auf anderen Kanälen gefragt, was denn passiert sei.

Ich möchte nicht ins Detail gehen. Im Prinzip habe ich den Shitstorm nur damit ausgelöst, dass am Ende meiner Recherche, deren behördliche Quellen ich offen benannt habe, nicht das vom Tippgeber gewünschte Ergebnis zutage kam. Offenbar kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf. Es ist ein bisschen vergleichbar mit dem Politiker, der selbst schwer an Corona erkrankt war und nach intensivmedizinischer Behandlung zwar einräumt, dass er krank war, aber trotzdem leugnet, dass wir ein Pandemieproblem haben. Oder mit dem Präsidenten der USA, der zwar weiß, dass er verloren hat, aber in seiner Welt trotzdem gewonnen hat. Da werden aus Lügen schneller „alternative Fakten“ als man Wutbürger sagen kann.

Mir ist klar, dass die Schreiber jener wütenden Mails davon ausgehen, dass ich sie in die Pfanne hauen will. Persönlich. Als hätte ich irgendein Interesse daran, aber was weiß ich schon. Was ich mir erst selbst klar machen musste: Ich bin nur der Überbringer der Botschaft. Es ist zufällig mein Thema. Ich bin nicht Schuld am Ergebnis. Und meine Person ist auch nicht die richtige Adresse für die Wut über das, was meine Recherche zutage gebracht hat. Zum Teil verstehe ich das – wer will schon einsehen, dass er auf dem Holzweg war. Aber zum Teil verstehe ich das auch nicht – ich kann ja nichts dafür. Und wo die Grenzen des Anstands verlassen werden, muss ich nicht mehr mitgehen.

Eine ganze Weile lang argumentierte ich gegen die wutentbrannten Mails an. Erklärte die Begründung der Behörde für ihre Entscheidung, versuchte Denkfehler aufzuzeigen. Der Erfolg, ihr ahnt es, war gleich null. Schlimmer noch, ich bekam zu hören, ich sei einfach unfähig, böswillig, behördenhörig, dumm. Wenn das Gras blau ist, ist es halt blau. Und ich blind.

Das alles hatte sich kurz vor Weihnachten zugespitzt und ich hatte mehr daran zu knabbern, als mir lieb war. Dass man mich für unfähig hält, ist etwas, das ich wegstecken kann. Dass erwachsene Menschen aber Fakten stoisch ignorieren und mit „Trotzdem-Argumenten“ daher kommen wie Dreijährige in ihrer schlimmsten Phase, nicht aufhören können, wüste Beleidigungen in episch lange Mails zu packen und diese geradezu kampagnenartig zu verschicken, da war meine persönliche rote Linie überschritten. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was andere Kollegen sich anhören müssen, die in viel größerem Stil an solchen Fronten stehen.

Ich für mich beschloss, zwei Dinge zu tun: Gegen die infamsten Behauptungen, die mich nachts, tags, im Stundentakt erreichten, die sogar meine Familie mit einschlossen, habe ich rechtliche Mittel eingesetzt. Und alles andere habe ich losgelassen.

Das klingt einfacher, als es ist, war aber ein schwieriger, innerer Prozess. Und am Ende sehr effektiv. Ich, die auch intern bis zum letzten Tag darum gerungen hat, auch diese schwierigen Zeitgenossen ernstzunehmen und sie anzuhören, bin dem Rat meiner Chefs gefolgt und habe die Kommunikation eingestellt. Ich habe konsequent alles gelöscht, was mich triggern könnte und das Thema, das meine Arbeit über Monate geprägt und auch bereichert hat, beerdigt. Zumindest, was diese Quellen angeht.

Und ich habe noch etwas getan, was viel größer, wichtiger und schwieriger war: Ich habe verziehen. Nicht, weil die Gegenseite das verdient hätte, sondern weil ich es verdient habe. Dieses Gift, was mir wochenlang ungefragt ins Leben gekübelt wurde, hat keinen Platz hier. Hier ist Platz für Klarheit, für konstruktiven und gerne auch kritischen Dialog, für Respekt, für Wertschätzung und Achtung. Wer sich nicht an die Regeln hält, fliegt raus und wird konsequent vergessen. Der eigenen Seele zuliebe.

Das zu begreifen und umzusetzen war nicht einfach, aber es hat mich wachsen lassen. Und ein Ende des Prozesses ist noch lange nicht in Sicht.