Ich
Es ist der dritte Abend in Folge, an dem das Kind (eher gefrustet) und ich (eher entzückt) die Schwarze-Brett-App konsultieren. Das Kind gefrustet, weil nix ausfällt, ich entzückt, wegen weil. Seit Freitag findet der Unterricht wieder so statt, wie ihn der Stundenplan vorsieht. Das erspart mir a) die morgendliche Taxifahrt, weil es keinen Bus zur zweiten Stunde gibt und b) den A…lmanach voll Hausaufgaben, der anfällt, weil der erkrankte Fachlehrer optimistisch portionierte Arbeitsaufträge weitergibt. (Das Kind macht die Hausaufgaben selbst, schon klar. Aber zum Beispiel bei Fragen wie „Wer bezahlt den Schaden, der entsteht, wenn mein Hund etwas kaputt macht?“ musste ich helfen. Meine juristisch gänzlich unvorbelastete Elfjährige hatte den Begriff „Tierhalterhaftpflicht“ noch nie zuvor gehört. Ich nehme diese gravierende Bildungslücke auf meine Kappe. Schmerzfrei.)
Natürlich könnte ich mir die Fahrt sparen und die Lütte um zwei Minuten nach sieben an der Bushaltestelle abgeben. Und ja, an der Schule gibt es Aufenthaltsräume, in denen sie trocken, warm und womöglich auch ganz gemütlich warten können. Das Ding ist halt – für trockene, warme und gemütliche Aufbewahrung von Kindern ist das Gymnasium nicht gedacht (glaubte ich immer), sondern für Unterricht, über dessen wiederholten Ausfall sich Eltern sehr wohl ärgern dürfen. Wenn ich sie frage, wo sie am liebsten morgens um halb acht trocken, warm und gemütlich ist – sorry Schule, der Punkt geht an mich. Und ob es die erste, dritte oder siebte Stunde ist, die nicht stattfindet – geschenkt. Jede ist eine zuviel.
Und ja, wir werden über die App am Abend zuvor (manchmal auch morgens um halb sieben) rechtzeitig über Änderungen informiert. Das ist verglichen mit meiner Schulzeit, als das Schwarze Brett noch ein physischer Glaskasten mit Aushang war, der morgendliche Überraschungen bereithielt, eine deutliche Verbesserung. Es ändert aber nichts daran, dass der Unterricht ausfällt. Und die Fünfer schon mit dem Friss-oder-stirb-Prinzip starten – entweder sie kommen mit dem verschobenen Stoff-Zeit-Verhältnis klar oder sie werden abgehängt. Dank G8 sogar noch schneller. Und darüber tröstet mich eine warme und gemütliche Leseecke für Wartestunden nicht hinweg.
Wie dem auch sei – für morgen erfährt der Plan keine Änderung (frei nach Loriot), wir nutzen den ÖPNV und eins von zwei Mädels hier im Haus findet das jedenfalls ganz knorke. Das andere hatte heute dafür ein Erfolgserlebnis – eine glatte Zwei in der Deutscharbeit, dazu eine Eins minus als mündliche Note. Ich hab sie seit Wochen nicht so strahlen sehen. Tut allen gut.
Sonst so? Mit Kopfweh gestern ins Bett gegangen, wirres Zeug von meinem Ex-Chef geträumt (WTF?), unruhig geschlafen, mit latentem Brummkopf aufgewacht. Mein Blutdruck, den ich seit einem Jahr mit leichten Senkern im Zaum halte, war heute auch ein wenig starrsinnig. Erkenntnis dabei: Wenn man morgens direkt nach dem Aufstehen und Kaffeemachen Blutdruck misst, kaum, nachdem man auf den Stuhl geplumpst ist, sollte man sich nicht wundern, wenn der hoch ist. Ebensowenig sollte man sich beim zweiten Mal messen über einen noch höheren Wert wundern, wenn man sich derweil über die erste Messung aufregt. (Beide Werte an der Grenze zu dem, was überhaupt als Hochdruck gilt, trotzdem spüre ich das sofort.) Zehn Minuten Sitzen später sah die Welt wieder anders aus. Nach dem Sport schließlich kam ich beim neuerlichen Check auf mustergültige Werte von 118:82. Wäre Reinsteigern eine Olympische Disziplin, ich wäre vorne mit dabei.
Sonst so außerdem? Ich hatte ein sehr sehr sehr nettes Gespräch zu einem beruflichen Thema, außerdem eine tolle Mittagspause mit den weltbesten Kolleginnen, not to call it lunch-date. Es geht nichts über Bürogossip, bei dem man erleichtert feststellt: Es ist, wie es immer ist.
Den Rest des Abends werde ich zuende bügeln, was ich angefangen habe. Wollte ich gestern schon, aber da kam mir The Reacher dazwischen. Man muss manchmal Prioritäten setzen. Und was ich heute nicht mehr schaffe, erledige ich morgen um kurz nach sieben, da ist das Kind nämlich in der Schule. Praise the Lord.
Die Kurznachrichten des Tages:
Gegessen: Müsli mit Wurfkäse… als ich nach dem Sport nach Hause kam und mein wohlverdientes Frühstück einnehmen wollte, rutschte mir der offene, halbvolle Becher Hüttenkäse direkt vor dem Kühlschrank aus den Fingern. Ich sah den himmelblauen Aludeckel flatternd gen Boden sinken, den Becher unten aufdotzen, und eine formschöne Fontäne aus milchiger Suppe und weißen Käsebröckchen sich bogenförmig in die Luft erheben, um zum einen auf meinem Oberschenkel und zum anderen im offenen Geschirrrondell auf Schüsseln und Tupperboxen wie ein himmelwärts gerichteter Pfeil aus Proteinen niederzugehen. Fast wäre mir die Lust auf Müsli vergangen. Aber nur fast. Dafür gab’s mittags Essen auswärts – Semmelknödel mit Champignonragout und Salat. Und grade nochmal Müsli, weil keine Lust auf Brot. Diesmal unfallfrei.
Gelesen: Den Deutschaufsatz meiner Tochter. „Umfangreicher Wortschatz“ – das hat sie womöglich auch von mir.
Gesportelt: Erst 3,8 Km draußen spaziert, dann wegen Wetters noch 3,2 weitere indoors. Fünf Minuten Kraft haben mir heute gereicht (war keine Kraft da), dafür bin ich noch 10 Km geradelt.
Gefreut über: Die Deutschnote. Verdient. Das strahlende Kind. Die Tatsache, dass wir den Bus erwischt haben. Die netten Begegnungen heute.