Ich
Den Einzelhandel unterstützen, vor Ort einkaufen, nicht alles online shoppen – man hört die Mahnungen immer wieder. Ich gebe zu, auch wir bestellen hin und wieder Gewünschtes beim großen Online-Versandhändler. Man kann abends auf der Couch „bummeln“, bestellen und am übernächsten Tag die Ware in Empfang nehmen. Ganz ohne Parkplatzsuche und Zeitaufwand. Wenn ich etwas dringend sofort benötige, nutze ich allerdings gerne die zahlreichen Geschäfte im Umland. Klar, dass wir auch Lebensmittel nicht online kaufen, sondern im hiesigen Supermarkt oder bei der Bäckerei.
Doch manchmal erlebt man im Einzelhandel Dinge, die einen zweifeln lassen. Als ich meinen Mann vor wenigen Tagen in die Werkstatt brachte, damit der sein Auto holen kann, machte ich auf dem Heimweg einen kurzen Abstecher bei einer Bäckerei in einem großen Supermarkt neben der Werkstatt. Ich stellte mich in die Schlange. Die Dame vor mir fragte die Verkäuferin, als sie an der Reihe war, was „denn das für ein Brot ist, rechts neben Ihnen“. Und die? Drehte sich dem ausgestreckten Zeigefinger der Kundin folgend im Zeitlupentempo um. Guckte das einzige Brot an, das im Abstand von zwei Metern da lag. Dann drehte sie sich zurück. „Das da?“, fragte sie, und zeigte ihrerseits auf das einzige Brot, das da lag. „Ja genau“, bestätigte die Kundin. Die junge Frau drehte sich erneut zum Brot um. Sie verharrte. Dann beugte sie sich nahe, wirklich sehr nahe über das kleine Schild, das das Brot wohl beschreibt. Sie studierte es eingehend. Drehte sich erneut zur Kundin um. Die Spannung war kaum auszuhalten.
Und dann gab sie schulterzuckend die Antwort, mit der irgendwie niemand gerechnet hatte: „Äh, das weiß ich auch nicht. Ich glaube, was mit Roggen.“ Die Kundin, sichtlich irritiert, sagte: „Ja … also dann nehm ich das.“ Die Verkäuferin drehte sich erneut zum Brot um. Studierte das Schild daneben, das vor der leeren Auslage in der Plexiglasklemmleiste klemmte. „Also das andere war jedenfalls was mit Roggen. Von daher?“, ergänzte sie schulterzuckend. Im Hintergrund kehrte eine andere Mitarbeiterin den Fußboden. Nachdem ihre Expertise wohl nicht gefragt war, kam sie der jungen Kollegin auch nicht zu Hilfe.
Ich fragte, als ich an der Reihe war, gar nicht erst nach dem Inhalt, ich orderte ein Brot, das mir optisch gefiel, bestellte vier Laugenbrötchen dazu, packte die Brötchen in meinen Korb und auf ihr „schene Abend no“ bat ich dann noch um mein bezahltes Brot, das noch in der Schneidemaschine lag. Da dachte ich ja echt, dass ich den Tiefpunkt in Sachen Kompetenz bereits gesehen hatte.
Bis ich heute in ein hiesiges Möbelhaus kam. Mit der festen Absicht, meinen Kleiderschrank ein weiteres Mal auszumisten, wollte ich, wie bereits zweimal zuvor, zwei transparente Boxen mit Deckel kaufen, damit ich Sommer- und Wintergarderobe von einander trennen kann, um so Platz zu schaffen. Die Boxen hatte ich schnell gefunden, passende Deckel dazu gab es allerdings nirgends. Ich marschierte also zum nächsten Infopunkt und bat dort um Hilfe. „Die Deckel sind bei den Boxen“, bekam ich zur Antwort. „Ich finde aber die Größe für diese Boxen nirgends“, erklärte ich. Seufzend machte sich die Verkäuferin auf den Weg zu den Boxen, um dort festzustellen: „Die Deckel für Ihre Box gibt’s nicht.“ Nach nur fünf Minuten waren wir also immerhin auf dem selben Stand.
Ich erklärte, dass es ja für alle anderen Größen dieser Plastikboxen sehr wohl Deckel gebe und fragte, ob meine Gesuchten womöglich noch irgendwo am Lager wären. „Nein, sind sie nicht. Wenn sie nicht hier sind, gibt’s die nicht.“ Etwas ratlos stellte ich die Boxen zurück. Die Verkäuferin verschwand wieder.
Ich entschied mich schließlich für andere transparente Boxen, allerdings tauschte ich die hässlich grünen Deckel gegen graue der selben Box. Die Boxen mit den grauen Deckeln waren nicht transparent, die transparenten Boxen hatten hässliche Deckel. Ansonsten waren die beiden Boxen aber völlig deckungsgleich und natürlich aus derselben Serie desselben Herstellers. Ich hatte mir zwei Boxen zusammengesucht und stand schon in der Kassenschlange, als die Verkäuferin angewieselt kam.
„Entschuldigung, die Kollegin sagt, die grauen Deckel gehören zu den anderen Boxen. Das können Sie so nicht kaufen.“ Ich stutze. „Ich möchte aber transparente Boxen“, erklärte ich. „Die gibt’s nur mit grünen Deckeln.“ „Es sind doch aber dieselben Deckel?“ „Ja aber das geht nicht. Außerdem ist die Farbe der Deckel doch auch egal, oder?“, befand sie. „Ja? Mir aber nicht. Dann nehme ich die grauen“, wagte ich einen letzten Versuch. „Nein, das geht nicht, die gehören ja zu der anderen Box.“
Seufzend trug ich meine beiden Boxen (für 19,90 das Stück!) zurück. „Ich wollte ja ohnehin lieber diese anderen, aber da gibt es keine Deckel mehr dazu“, erklärte ich. Worauf die Verkäuferin erläuterte: „Ja, das sind Stapelboxen, für die brauchen Sie keinen Deckel.“
Ich: „Wie soll ich Sie denn dann stapeln?“
Sie: „Na so, ineinander. Leer.“
Ich: „Ich möchte doch aber keine leeren Kisten stapeln. Und wenn sie voller Klamotten sind?“
Sie: „Dann können Sie die nicht mehr stapeln.“
Ich: …
Sie: …
Ihr ahnt es: Ich verließ den Laden ohne Box. Und ohne Deckel. Aber gefrustet.
Um kurz danach im Baumarkt nebenan ein paradiesisch anmutendes Hochregal voller Plastikboxen nebst ausreichend Deckel in allen Farben und Größen vorzufinden. Zum halben Preis. Also habe ich dann doch den Einzelhandel unterstützt, halt wo anders.
Mein Highlight allerdings war dann der unfassbar nette Mensch in der kleinen Schuhmacherwerkstatt, dem ich gestern meine Louboutins anvertraut hatte. Mir war eingefallen, dass bei den Schuhen auch Ersatzabsätze dabei gewesen waren. Also hatte ich mich erneut auf den Weg gemacht, dem Schuhmacher, der gestern noch skeptisch war, ob er „Pariser System“ (?) reparieren kann, die Ersatzteile nachzuliefern. Ich hatte meinen Abholschein noch nicht einmal aus der Geldbörse gefriemelt, als er grinsend sagte, „weiß ich, die mit die roten Sohlen“. Er verschwand ums Eck und kehrte mit völlig intakten Schuhen zurück. „Hab ich gestern noch getüftelt. Langen Stift abgeschnitten, hat gepasst. Bringst du die nächstes Mal glei mit“, sagte er mit dem Blick auf mein Mitbringsel. Für Schuhe wie neu habe ich 13 Euro bezahlt (15, inklusive Trinkgeld) und für heute war die Ehre des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe vor Ort wieder hergestellt.
Den Rest des Tages habe ich voller Tatendrang meinen Schrank ausgeräumt und drei riesige Tüten aussortiert. So langsam nähere ich mich der Capsule Wardrobe, von der ich immer träume. (Zu meinem Entsetzen fand ich sogar noch eine Tüte voller Umstandsklamotten. Ähem. Das Kind ist elf.) Eine weitere Tüte geht in den Second-Hand-Laden, zwei Blazer in die Reinigung.
Die Sommersachen habe ich übrigens ebenso dezimiert und den Rest in die Boxen verräumt. Und die habe ich dann bedeckelt und gestapelt, WEIL ICH’S KANN. HA.
Die Kurznachrichten des Tages:
Gegessen: Hüttenkäse mit Kaki und Kokoscrunch, Kürbiscremesuppe, noch mehr Kürbiscremesuppe, ein Käsebrot, einen Pflaume-Zimt-Lebkuchen und eine Hand voll Nachos.
Gelesen: Diverse Blogartikel zum Thema Capsule Wardrobe, die neue Cosmopolitan. Spannende Ausgabe.
Gesportelt: Nein, heute war Räumtag.
Gefreut über: Den tollen Menschen, der meine Schuhe schnell und zuverlässig wieder schön gemacht hat. Sie waren mein Highlight heute!