Frauen, kündigt Eure schlechtbezahlten Jobs, kehrt Eurer Karriere den Rücken und stattdessen täglich die Garageneinfahrt, in der ihr im adretten Kleid darauf wartet, dass Euer Mann von seiner anstrengenden Arbeit kommt, um ihn so richtig zu verwöhnen. Mit selbstgekochtem Essen, aufgeschüttelten Sofakissen und vorgewärmten Pantoffeln. Denn Frauen, ihr gehört von Natur aus nicht ins Büro, sondern an den Herd. Käsekuchen statt Karriere, Bügeln statt Business.
Wie alles begann…
Völliger Nonsens, sagt ihr? Ja, finde ich auch. Aber einer, der gerade große Wellen schlägt. Doch bevor ich mich heute so richtig in mein Thema vertiefe, bekommt ihr erst eine Schnellbleiche in Sachen Feminismus in Deutschland. Geht ganz schnell, versprochen. Der 30. November 1918 war für Frauen in Deutschland ein wichtiger Tag: Mit der Verordnung über die Wahlen zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung bekamen sie das Recht zu Wählen zugesprochen.
Für die Frauen in der DDR war das Jahr 1966 nicht minder entscheidend: Das Familiengesetz verlangte, dass ein Ehepaar sich so organisiert, dass die Frau Beruf und Familie unter einen Hut bringen kann. Der Westen war da wesentlich konservativer: Bis ins Jahr 1977 (!) hieß es im Gesetz, dass die Frau in der Ehe den Haushalt in eigener Verantwortung führt und arbeiten gehen darf, „soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Heißt: Legte der Mann ein Veto ein, blieb die Frau daheim und kümmerte sich um Heim und Kinder.
Wo wir heute stehen
Vieles hat sich seither geändert, will man meinen. Oder etwa nicht? Ich habe für ein Porträt vor ein paar Wochen mit dem Koordinator des Konflikttelefons in Baden-Württemberg gesprochen. Seine ehrenamtlichen Mitarbeiter stehen immer dann parat, wenn es Streitigkeiten im Job gibt, die die Beteiligten nicht mehr alleine lösen können. Ich war davon ausgegangen, dass auch er eine Auswirkung der Corona-Krise spürt. Ich dachte, wer nicht mehr im Großraumbüro auf den Kollegen hockt, nicht mehr dem Flurfunk und dem Getratsche in der Kaffeeküche ausgeliefert ist, hat logischerweise auch keinen Stress und keinen Grund zu streiten mehr. Das Konflikttelefon müsste also stillstehen.
Doch weit gefehlt: Er erzählte mir, dass der Beratungsbedarf bei seiner Hotline um 50 Prozent gestiegen sei. Vor allem Frauen seien es, die kurz vor dem Zusammenklappen stünden. Frauen, an denen noch immer die Familienarbeit hängt. Die ihren Alltag jonglieren müssen zwischen dem Chef, der trotz Homeoffice Ergebnisse sehen will, den Kindern, die Hilfe beim Abarbeiten ihrer Homeschooling-Pläne brauchen, womöglich einem pflegebedürftigen Angehörigen und dem Haushalt, der ansonsten liegen bleiben würde. Frauen sind zwar die, die arbeiten gehen dürfen ohne die Zustimmung ihres Manns. Aber sie sind auch immer noch die, die häusliche Pflichten mit ihrem Berufswunsch vereinbaren müssen.
Zurück in alte Muster?
Und genau an diesem Punkt setzt eine neue Bewegung an, die in Großbritannien und den USA gerade immer mehr Anhängerinnen findet: Die Tradwives. Der Begriff setzt sich aus den beiden Wörtern traditional und wife zusammen und meint genau das: Die klassische Haus- und Ehefrau, wie es sie in den Fünfzigern und Sechzigern des letzten Jahrtausends gab. Die Slogans dieser Bewegung sind so rückwärtsgewandt, wie befremdlich: „Am woman’s place is in the home“, sagen sie. Frei übersetzt: Eine Frau gehört nach Hause.
Und, das ist der ganz entscheidende Punkt: Es ist der Wunsch der Frauen selbst, sich ganz auf die Rolle der Hausfrau und Mutter zu konzentrieren. Ein selbstgewähltes Dasein zwischen Bügelwäsche, Bisquittorte und Brokatgardine. Die Tradwives sehen es als ihre natürliche Aufgabe an, vor allem ihren Mann, aber auch die Kinder zu umsorgen und ihnen lästige Pflichten abzunehmen. Wer nach Bildern unter dem Hashtag #tradwife bei Instagram sucht, bekommt massenweise output: blankgewienerte Küchen, adrett gedeckte Mittagstische und strahlende Hausfrauen in gestärkten Schürzen, die Wäsche auf die Leine hängen. Es gleicht einer Rolle rückwärts in Heimatfilme der Sechziger. Wer „Die Frauen von Stepford“ gesehen hat, zieht automatisch ungute Parallelen.
Die BBC hat der Entwicklung eine Doku gewidmet und eine ihrer führenden Vertreterinnen, Alena Kate Pettitt, porträtiert. Diese beschreibt die Wahl, eine traditionelle Hausfrau zu sein, als eine Art erleichterndes Zu-sich-finden. Ihr Mann, der selbst konservative Werte für sich definiere, habe ihr dabei geholfen, die Rolle als „competing carreer-girl“ hinter sich zu lassen und ihre wahre Bestimmung zu leben. In der Reportage ist Alena meistens am Bügelbrett zu sehen, doch ihre Aufgaben seien vielfältig. „My job is housework“, sagt sie. Und dass es eine zutiefst selbstlose Aufgabe sei, mit ihrer Arbeit Mann und Kindern dabei zu helfen, das beste aus sich herauszuholen. Selbstlos wie in erstrebenswert, nicht wie in ausgebeutet.
Dass sie mit diesem gelebten, traditionellen Rollenbild vor allem der Weltanschauung sämtlicher rechter Strömungen entspricht, weist sie von sich. Dass der Entwicklungs-Radius der Frau auf die Entfernung zwischen Herd und Kreißsaal beschränkt ist (böse ausgedrückt) und dass sie mit ihrer Philosophie ziemlich gut in das Bild der Nazi-Herrschaft gepasst hätte – „I didn’t even know that“, sagt sie.
Ich würde nicht so weit gehen wollen, jemandem, der sich für dieses Rollenmodell entscheidet, politische Beweggründe zu unterstellen. Während in den USA hinter der Tradwives-Bewegung zwar die „White Supremacy“ steht, also die Vorherrschaft der weißen Amerikaner, ist die Engländerin Pettitt wohl eher vom nostaligschen Glanz vergangener Tage begeistert. In der Doku träumt sie von einer Zeit, in der Britain noch great war, weil man die Tür nicht abschließen musste und die Nachbarn kannte.
Ein befremdlicher Trend
Welche Gründe es auch sein mögen – mich ganz persönlich befremdet die Entwicklung massiv. Sie basiert darauf, dass die Ehefrau den Part der häuslichen Versorgung übernimmt, kein eigenes Einkommen und kaum Mitbestimmungsrecht hat. Denn „submission“ ist ebenso eine Tugend der Tradwives – Unterwerfung und Anpassung dem Mann gegenüber, dem in der Ehe die führende Rolle zugeschrieben wird. Und damit basiert sie auf Werten, die die gebeutelte und endlich wieder aufstrebende Nachkriegs-Industriegesellschaft in den Fünfzigern, also vor 70 Jahren, als neuen Spirit empfand. Und zwar hauptsächlich deswegen, weil man die Arbeitswelt, die zuvor ganz selbstverständlich von Frauen am Leben gehalten worden war, weil der Krieg viele Männern das Leben gekostet hatte, wieder für die Männerwelt freimachen wollte.
Irgendwie musste man den Frauen diesen Rückschritt an den Herd ja verkaufen und es gelang der Werbeindustrie mit adrett frisierten Frauen im Petticoat, die für einen neuen Kühlschrank und eine Waschmaschine ihren Beruf an den Nagel gehängt haben. Das hat funktioniert, aber mit Tradition hatte es nichts zu tun.
Was also ist an der blütenreinen Fassade der gar nicht so desperate Housewives also heute noch erstrebenswert (wo wir Frauen unsere Kühlschränke selbst kaufen könnten)? Was passiert heute, was passierte damals, wenn der umsorgte Gatte keine Lust mehr auf das betont heimelige House hat und sich eine andere sucht? Oder die Familie einfach so verlässt? Das Rollenmodell verliert die Existenzgrundlage. Und die Konsequenz für die Hausfrau? Ganz praktisch gedacht: Welcher Arbeitgeber schlägt begeistert die Hände überm Kopf zusammen, wenn eine Mitvierzigerin mit halbwüchsigen Kindern und ohne Berufserfahrung bei ihm anklopft und einen Job sucht? Und von welcher Rente will sie später leben?
Dieses Modell der traditionellen Rollenverteilung beruht darauf, dass Alleinverdienerpapa und Haushaltsmanagermama ein Leben lang selbiges teilen. Das ist jedem Paar bei der Eheschließung zu wünschen, nur: Es darf halt nicht schiefgehen. Ich komme ins Grübeln. Natürlich bekommen wir Frauen die Kinder und nehmen in der Regel eine Auszeit vom Berufsleben. Aber allein da fängt es ja schon an – die einen genießen drei oder mehr Jahre Elternzeit, andere gehen nach einem Jahr oder noch früher wieder zurück in den Job. Die einen, weil sie ihre Arbeit lieben, die anderen, weil die Familie auf das zusätzliche Einkommen angewiesen ist. Spoiler: Nicht-repräsentative Umfragen sagen, sie machen es falsch, ganz egal, wie sie sich entscheiden.
Und überhaupt Finanzen: Wie fühlt es sich wohl an, für den Rest seines Lebens Haushaltsgeld zugewiesen zu bekommen? „There is always a buffer for me to buy things that I like for myself“, sagt Alena in der Doku. Es gebe immer ein bisschen Luft für Dinge, die sie sich selbst kaufen wolle beim Haushaltsgeld. Wie nett von ihrem Mann. Ist die traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter also eine Art neues Privileg? Ich bleibe daheim, weil wir uns das leisten können? So wie es die Tradwives darstellen, eher nicht. Sie tun es aus einer inneren Überzeugung heraus, dass das naturgegeben so sein müsse. Mit Unterdrückung habe das absolut nichts zu tun, schließlich sei die Wahl der Rolle absolut selbstbestimmt, eine Errungenschaft des Feminismus quasi.
Und während alle anderen Frauen den schmalen Grat zwischen Karriere und Familie entlanghasten, entledigen sich die Tradwives dieses Spagats ganz einfach, in dem sie sich für eins von beiden entscheiden. Sind sie in Wirklichkeit einfach cleverer, weil sie sich den oft zermürbenden Stress, alles zu wollen, nicht geben? Ich glaube nicht. Für mich ist dieses seltsam anmutende Schauspiel die Schöpfung eben jener Frauen, die keine Lust mehr haben, sich für ihre Wahl von Herd und Hausaufgabenbetreuung rechtfertigen zu müssen. Die keine Lust haben, sich dem Arbeitsmarkt zu stellen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Die die einfache Lösung einfach besser finden.
Der Preis dafür ist der goldene Käfig, Haushaltsgeld zu Beginn des Monats und ein ansonsten sorgen- weil verantwortungsloses Leben. Der Mann bringt das Geld nach Hause, also entscheidet er wie es ausgegeben wird. Im Gegenzug wird er bekocht und bekommt die Hemden gebügelt, muss sich weder um die Hausaufgaben der Kinder noch um Vorsorgetermine Gedanken machen. Und so lange Frauen in Teilzeit arbeiten (müssen) und Berufe ausüben, die für die Gesellschaft absolut relevant sind aber schlecht bezahlt, so lange ist die Entscheidung, sich dann eben ganz der Familie zu widmen, sogar irgendwie nachvollziehbar. 2019 verdienten Frauen in Deutschland 20 Prozent weniger als Männer. Das ist himmelschreiend ungerecht. Und genau daran sollte sich etwas ändern und das wird es nicht, wenn Frauen sich wieder dorthin zurückziehen, wo man sie in den Fünfzigern haben wollte: At home.
Ich wäre eine denkbar schlechte Tradwife. Ich koche zwar gerne, bin aber nicht jeden Tag voller Enthusiasmus am Herd. Rezepte, für die ich länger als 25 Minuten bräuchte, fallen hintenüber. Ich mag ein sauberes Zuhause und allein das ist der Grund, weswegen ich zu Lappen und Staubsauger greifen. Innere Befriedigung empfinde ich dabei nicht. Auch nicht beim Wäschezusammenlegen, wenngleich ich mit einer gewissen Sorgfalt ans Werk gehe. Meinem Mann allerdings begegne ich auf Augenhöhe und hier besteht sicherlich die größte Diskrepanz zwischen dem klassischen Rollenbild und mir. Niemand hat in unserer Ehe das Sagen, dafür hat jeder sein eigenes Konto und gibt Geld aus, wofür er möchte. (HAB ICH EUCH SCHON VON MEINEM NEUEN AUTO ERZÄHLT? Oh… ja, hab’s glaub erwähnt.) Eine Beziehung, in der ich meinem Mann diene, weil ich von seinem Goodwill abhänge, wäre für mich undenkbar. Nicht mal, wenn ich den ganzen Tag Petticoat tragen dürfte.
Und wenn ich meiner Tochter nur einen Rat mit auf den Weg geben dürfte, dann würde er lauten, „bewahr Dir stets Deine Unabhängigkeit“. Das beinhaltet nicht nur den Wunsch, mental frei zu bleiben von toxischen Beziehungen und ungesunden Abhängigkeitsverhältnissen, sondern auch im ganz praktischen Leben einen Job zu haben, der sie selbst trägt. Es sei denn, sie entscheidet sich später aus freien Stücken für ein Leben als Tradwife. Aber bei den Genen kann ich mir das eigentlich kaum vorstellen.
Ja, bereits Oma Hilde geboren 1923 hag mir geboren 1956 als Motto mit auf den Weg gegeben „bleibe unabhängig, neugierig und du selbst“. Eine Partnerschaft funktioniert für mich nur auf Augenhöhe. Natürlich umsorgt man den anderen aber es ist keine Einbahnstraße. Es ist leider immer noch schwer, sich als Frau im Berufsleben in höhere Positionen zu kämpfen. Aber deswegen den bequemen Weg gehen, ob das glücklich macht?
Jeder muss für sich entscheiden. Ich weiß aus meinem Leben, es gibt Frust, Ärger und auch mal schlechte Laune. Aber viel öfters dass erhebende Gefühl, jeea gut gemacht. Wenn der Wind von vorne bläst, wird man stärker.
Denkt an Marie Curie, Elli Beinhorn, Florence Nightingale, etc. Frauen sind weder dümmer noch fauler. Sie gehen Dinge anders an. Sie haben einen anderen Führungsstil. Und sie sind stark. Das scheint manchen Männern suspekt.