Von einer, die auszog … Tag 2

Wenn ich ehrlich bin, hatte ich vor dem zweiten Tag meines Albsteigabenteuers ein bisschen Respekt. Nicht nur war die Strecke nochmal ein paar Kilometer länger, vor allem standen einige Höhenmeter an und es war noch ein bisschen heißer als am Vortag. Aber ich hatte gut geschlafen, erstaunlich wenig Muskelkater und war guter Dinge. Nach einem wirklich netten Frühstück checkte ich aus und beschloss, mich in die Schlange beim Bäcker auf dem großen Marktplatz zu stellen, um frischen Proviant für den Tag zu besorgen. Gut gerüstet ging es in Richtung Bahnhof und dann erst hinauf und hinab, vorbei an der Jugendherberge und einem Pferdehof.

Der Uracher Wasserfall von oben

Ich wusste, dass mir der Aufstieg gleich zu Beginn der Tour nicht erspart blieb, aber diesmal war es ein Wanderweg durch einen am Morgen noch einigermaßen kühlen und schattigen Wald. Nach einer Weile führte er nur noch sachte bergan, bis ich von Weitem schon das Rauschen des Uracher Wasserfalls hören konnte. Oben angekommen stellte ich erstaunt fest, dass trotz der frühen Uhrzeit schon einige Wanderer unterwegs waren. Vermutlich ist an schönen Sommertagen zur Mittagszeit an diesem großzügigen Rastplatz mit bewirteter Hütte die Hölle los. Ich bestaunte den Wasserfall von oben (von wo er nicht besonders spektakulär aussieht) und holte kurz Luft.

Knackige Aufstiege inklusive

Was sich als sinnvoll herausstellte, denn es sollte ein knackiger Aufstieg zum Rutschenfelsen folgen, der die Einordnung als „schwere Wanderung“ durchaus rechtfertigt, aber halt auch landschaftlich wirklich reizvoll war: Ein schmaler Pfad führt herum um einen Felsen, man erklimmt über kleine Treppen Meter um Meter und wird schließlich mit einer wirklich spektakulären Aussicht auf Urach, die Hohenurach und die gesamte Umgebung belohnt. Besonders eindrücklich war für mich der Blick weit hinüber zum Hohenneuffen, wo ich noch am Vortag gewandert war: Faszinierend, welche Distanzen man zu Fuß zurücklegen kann.

Der Hohenneuffen, hinten links in der Ferne.

Nachdem ich vermutlich an jedem einzelnen Aussichtspunkt Fotos gemacht hatte, setzte ich die Tour fort über Wiesen und durch Wälder. Nach einer Weile öffnete sich der Wald und gab den Blick frei auf einen mächtigen, weißen Turm. Ich hatte die Hohe Warte erreicht. Um Kräfte zu sparen schenkte ich mir allerdings den Aufstieg, obwohl es sich sicherlich gelohnt hätte.

Ich streifte sattgrüne Felder, die im warmen Wind wie ein Meer wogten, kam durch einen Pferdehof und suchte mehr oder weniger dringend ein Plätzchen im Schatten, um Mittagspause zu machen.

Die Hohe Warte

Doch ein Teerweg führte mich zunächst in der prallen Sonne entlang eines Zauns, hinter dem sich, was ich erst mit zunehmender Höhe sehen konnte, ein riesiges, rundes Wasserbecken befand. Ich hatte das Oberbecken des Pumpspeicherwerks Glems erreicht, fand ein schattiges Plätzchen und machte mich über meine morgens gekauften Leckereien her.

Weiter geht’s

Gut 20 Minuten später brach ich wieder auf, umrundete das Becken weiter und gelangte zu einem Aussichtspunkt, von dem ich das Pendant zum Oberbecken im Tal sehen konnte, und später den Ausblick auf Eningen mit seinem markanten Hügel bestaunte. Eine lange Allee entlang führte mich der Weg erneut durch einen Hof, auf dem Miniponys in der Sonne grasten und dösten und nach einem langen, staubigen, aufgeheizten Schotterweg geradeaus hätte ich es ihnen gerne gleich getan.

Long way to go …

Die Etappe ist jedoch wirklich abwechslungsreich gestaltet und der nächste Waldweg kam und brachte Schatten mit. Schatten, Aussichtsfelsen, eine nicht mehr existente Burgruine und merkwürdige Geräusche, die sich ein paar Hundert Meter weiter als das Pfeifen einer Schleppleine im Wind herausstellte, die einen Segelflieger in die Höhe gezogen hatte. Ich umrundete den Flugplatz Übersberg, um auf dem folgenden großen Spiel- und Grillplatz in eine ausgelassene, laute türkische Feier mit 100 Autos und gefühlt fünf Mal so vielen Menschen zu geraten.

Ich ließ das Spektakel hinter mir und erreichte bergab über Wiesenwege und plötzlich wieder völlig allein auf weiter Flur den Ort Holzelfingen. Über die Burg Greifenstein führte der schmale Waldweg immer am Grat entlang, belohnte mit Ausblicken ins Tal und machte für mich die zweite Etappe zu der wesentlich schöneren meiner beiden Touren.

Malerisch aber gefühlt endlos …

Mit Blick auf die Uhr und dem Wissen, dass mein „Taxi“ bereits im Anflug auf Honau war, legte ich einen Zahn zu. Doch der Weg wollte kein Ende nehmen, führte sachte bergauf und bergab, links- und rechtsherum am Berg entlang aber gefühlt immer weiter und weiter. Irgendwann entdeckte ich ein kleines Holzschild mit der Aufschrift „Sonnenweg“, der nach Honau hinabführte. Ein Abstieg, der sich dank des Regens in den Wochen davor als recht abenteuerlich erwies, weil der Kies den Hang hinabgerutscht war und der Weg als solcher nicht immer sofort zu erkennen war.

Ich musste mich ein letztes Mal konzentrieren, um nicht auf den letzten Metern noch auf dem Hintern zu landen, aber irgendwann öffnete sich auch dieser Weg, wurde breiter, mündete in einen geteerten Fahrweg und führte mich schließlich aus dem Wald heraus direkt in ein Honauer Wohngebiet, wo nicht nur eine Bank stand, sondern wenige Augenblicke später auch mein Abholer.

Ich sage euch: Gepolstert in einem klimatisierten Auto zu sitzen – man unterschätzt den Genuss viel zu oft. 🙂

Fazit nach zwei Albsteigetappen

Mein Fazit? Albsteigwandern ist toll, allerdings eher für geübte Wanderer mit Ausdauer und ausreichend Kondition. Sowohl die Streckenlängen als auch die Steigungen sind nichts für Spontanentschlossene, die sonst maximal sonntags zwei Kilometer durchs Wohngebiet flanieren. Die erste, also die 9. Etappe, hat durchaus auch ihre schönen Seiten, mein Highlight war aber definitiv die 10. Etappe, die ich gerne noch einmal wandern würde, gerne auch in Gesellschaft.

Apropos Gesellschaft: Ich kann jedem wirklich ans Herz legen, auch mal alleine wandern zu gehen. Ich hatte eine Bank dabei, aber mein Handyakku hat mich nie im Stich gelassen. Die Netzabdeckung war überall ausreichend, so dass ich im Bedarfsfall hätte Hilfe rufen können. Die Beschilderung war grandios gut, ich musste nur einmal inmitten eines Hofes kurz in zwei Richtungen suchen, wo das nächste Schild mit rotem Dreieck hängt, ansonsten war der Weg immer klar und gut zu finden. Wer Spaß an Ausdauertouren hat, dem kann ich den Albsteig wirklich ans Herz legen, die zweite Etappe war inklusive Abstieg nach Honau gut 28 Kilometer lang. Mehr hätte ich dann auch nicht mehr gebraucht. Und ja, man kann auch als Frau alleine unterwegs sein, ich hatte in den zwei Tagen mehr nette Gespräche mit völlig Fremden als in einer Woche im Job. Aber ein ungutes Gefühl hatte ich nie. Das Glück und das Freiheitsgefühl haben immer überwogen.

Von einer, die loszog … 52 Kilometer #Albsteig in zwei Tagen

Wandern, so weit meine Füße mich tragen: Bis vor ein paar Monaten hieß das für mich: nach 28 Kilometern ist Schluss, weil meine Füße zwar durchaus noch kooperativ gewesen wären, mein rechtes Knie allerdings aus der Wandergemeinschaft aussteigen wollte. Und jetzt lass mal ein einzelnes Knie irgendwo zurück … seit ich allerdings zu joggen begonnen habe, haben sich meine Knieprobleme in Luft aufgelöst. Vermutlich hat mein Körper einfach eingesehen, dass ich ziemlich stur am Konzept „Bewegung“ festhalte und mich Widerstand jedweder Art nur auf neue Ideen bringt.

Eine Frau, ein Rucksack, ein Plan

Eines Sonntagmittags stand ich im Garten und starrte in den blauen Frühlingshimmel, der mit weißen Wattewölkchen verziert war wie eine Schwarzwälder Kirschtorte mit Sahnetupfen. Und ich hatte spontan unbändige Lust, wandern zu gehen. Alleine, eine Frau, ein Rucksack, ein Ziel.

Ich googelte. Und fand schnell etwas, was wie eine Antwort auf meine Sehnsucht schien. Nämlich den ältesten Albvereinswanderweg in Deutschland, den HW1, auch bekannt als Albsteig. Ein paar Etappen kenne ich schon, also entschied ich mich für Etappe 9 und 10 und beschloss, in der Mitte zu übernachten. Die Strecke führte mich von der Burg Teck bis nach Bad Urach und von dort an Tag zwei bis nach Honau.

Gebucht, gesucht, geflucht …

„Geh doch nicht alleine“, wand mein Mann besorgt ein. Ich überlegte kurz. Schon oft war ich alleine auf unbekannter Tour. Noch nie hatte ich irgendwelche Bedenken dabei. Weder muss man mit Bären oder Schlangen in heimischen Gefilden rechnen, noch bin ich ansonsten blauäugig unterwegs. Aber weil die Aussicht auf vergnügliche Stunden in Gesellschaft durchaus ihren Charme hatte, begeisterte ich eine Freundin für die Touren. Wir entschieden uns für ein Wochenende im Juni und buchten ein Hotel.

Und ab da machte das Leben seinen eigenen Plan. Die Freundin wurde in der Woche vor es losgehen sollte von Corona erwischt. Nach dem ersten Tief beschloss ich, das Hotel nicht zu stornieren, denn das Wetter sollte mehr als gut werden. Notfalls wollte ich eben doch allein gehen. Aber ich fand spontan eine Ersatzbegleitung. Zumindest bis zum Morgen des ersten Wandertags, denn auch hier war ein Infekt stärker als die Wanderlust… Und so wurde aus dem ganz am Anfang geplanten Solo-Trip … eben genau das.

Das „Gepäck“

Ich packte das (für eine eitle Frau) minimalste Gepäck zusammen, das da bestand aus Zahnputzzeug, Duschgel, Shampoo und Spülung, Kontaktlinsenreiniger und Wechselwäsche.

Los geht’s!

Und ab da stapfte ich fröhlich dem roten Dreieck auf den Wegweisern hinterher, mit dem der Hauptwanderweg 1 gekennzeichnet ist. Hinunter vom Burgberg der Teck und hinein in das Örtchen Owen. Ich spazierte an Stationen eines geschichtlichen Rundwegs vorbei, streichelte fremde Katzen, bestaunte im Wind flatternde Wäsche und fühlte mich völlig in meinem Element.

Erst ging es hinunter …
… und dann wieder hinauf.

So etwa, bis ich die Bahngleise überquert hatte, denn erst führte mich der Weg entlang derselben durch die pralle Mittagssonne, um dann steil anzusteigen und gefühlt nie mehr enden zu wollen. Ich schnaufte an älteren Paaren vorbei, die auf ihren Grundstücken Unkraut zupften, ich schnaufte an Männern auf dem Rasentraktor vorbei, ich schnaufte an großen Mähmaschinen vorbei. Zwischendurch schnaufte ich auch an einem anderen Wanderer vorbei, der fröhlich pfeifend und mit großen Schritten bergab ging. Aber hauptsächlich schnaufte ich. Und verfluchte den Weg hinauf auf die „Baßgeige“ und meine Sturheit, mich auf so einen Höllentrip überhaupt eingelassen zu haben und warum ist es ÜBERHAUPT SO SCHEISSE HEISS.

Die Teck im Hintergrund und das Örtchen Owen von oben.

Als ich endlich oben angekommen war, begegnete ich einem älteren Pärchen, das ebenso wie ich den gelben Wegweiser ins Visier genommen hatte. „Kommen Sie von ganz unten?“ wollte der Mann wissen. Ich nickte, noch immer atemlos. „Sind Sie ganz alleine?“ fragte seine Frau.

Sie wollen bis nach Buxte.. Urach?

Ich erklärte den beiden, woher ich komme und wohin ich noch (ja allein, ganz allein) zu wandern gedenke. „Sie wollen BIS NACH BAD URACH?“, fragte mich die Dame ungläubig und kurz überlegte ich, ob ich versehentlich Buxtehude gesagt hätte, aber nein, sie drehte sich zum Wegweiser um und las „Bad Urach, 17 Kilometer“ vor. Das freundliche Angebot, mich ein Stück mit dem Auto mitzunehmen, lehnte ich lachend ab. Was sind schon 17 Kilometer.

Erst kam der Wald, dann der Wald und dann noch mehr Wald

Und in der Tat – auf der Ebene sind 17 Kilometer ein ausgedehnter Spaziergang. Und so spazierte ich durch lichte Buchenwälder, bis ich plötzlich in unmittelbarer Nähe Stimmengewirr hörte. Ich trat aus dem Wald heraus und fand mich in einer Gruppe Gleitschirmflieger wieder. Bunte Fallschirmseide in allen Farben wurde auf dem Boden ausgebreitet und zurechtgezuppelt, einer nach dem anderen ließ sich mit Anlauf über die Bergkante hinausgleiten.

„Ich heb ab … nichts hält mich am Boden …“

Erst nach einer Viertelstunde Zuschauens konnte ich mich losreißen und setzte meinen Weg fort. Und fand mich kurz darauf wieder im dicht belaubten Wald wieder. Und dann … wurde es ein wenig mühsam. Der Weg mäanderte sachte durch einen dichten Laubwald. Und mehr passierte auf den kommenden zehn Kilometern nicht mehr. Ich folgte Rechtskurven, ich folgte Linkskurven, ich begann Selbstgespräche zu führen und vermisste ein klitzekleines bisschen jemanden, der sinnvoll antwortet.

Irgendwann verlor ich spürbar an Höhe und war mir sicher, das Ziel fast erreicht zu haben. Auf dem Weg nach unten führte ich erneut Gespräche mit einer Fremden, erklärte woher und wohin und wiederholte, dass ich wirklich ganz allein unterwegs war. Ja, als Frau. Einfach so.

Bad Urach, erstes Etappenziel erreicht …

Durch die Bäume entdeckte ich schließlich die ersten Dächer von Bad Urach, folgte instinktiv dem Touristenstrom in die Stadtmitte, bestaunte die vielen Fachwerkfassaden und ärgerte mich ein bisschen, dass ich weit und breit keine Eisdiele erspähte. Als ich jedoch mein Hotel gefunden hatte und um die Ecke bog – stand ich vor einer Eisdiele mit gefühlt 100 Sorten bunten Eisbergen in der Auslage, von denen „Ricotta-Feige“ noch einer der weniger exotischen war. Und da das Hotel erst eine halbe Stunde später öffnete, genoss ich die Bank im Schatten und drei Kugeln Eis mit Sahne. Die ersten 24 Kilometer waren geschafft. Und ich gleich mit. Wohl wissend, dass am Tag drauf deutlich mehr Höhenmeter und auch eine längere Gesamtstrecke auf mich warteten…

Mein Fazit der neunten Albsteigetappe

Die Etappe ist am Anfang ein bisschen zäh, der Weg führt zwar durch ein nettes Örtchen, aber dann entlang der Bahngleise von Owen und weiter ohne Schatten (was im Sommer anstrengend sein kann) recht steil bergan. Im Wald hat der Weg durchaus Charme. Insgesamt war mir der Abschnitt gegen Ende durch den Wald zu wenig abwechslungsreich, wofür aber niemand was kann. Die Aussichtspunkte hinüber zur Teck und zum Hohenneuffen sind natürlich eine Belohnung, aber auch diese sind am Ende Mangelware. Bad Urach hingegen ist ein schöner Etappenzielpunkt, der sogar ein Thermalbad böte. Ich war am Ende des Tages einfach froh über eine Dusche, eine Pizza und ein Bett. 🙂 Würde ich die Strecke nochmal laufen? Eher nicht.