Wenn ich ehrlich bin, hatte ich vor dem zweiten Tag meines Albsteigabenteuers ein bisschen Respekt. Nicht nur war die Strecke nochmal ein paar Kilometer länger, vor allem standen einige Höhenmeter an und es war noch ein bisschen heißer als am Vortag. Aber ich hatte gut geschlafen, erstaunlich wenig Muskelkater und war guter Dinge. Nach einem wirklich netten Frühstück checkte ich aus und beschloss, mich in die Schlange beim Bäcker auf dem großen Marktplatz zu stellen, um frischen Proviant für den Tag zu besorgen. Gut gerüstet ging es in Richtung Bahnhof und dann erst hinauf und hinab, vorbei an der Jugendherberge und einem Pferdehof.
Ich wusste, dass mir der Aufstieg gleich zu Beginn der Tour nicht erspart blieb, aber diesmal war es ein Wanderweg durch einen am Morgen noch einigermaßen kühlen und schattigen Wald. Nach einer Weile führte er nur noch sachte bergan, bis ich von Weitem schon das Rauschen des Uracher Wasserfalls hören konnte. Oben angekommen stellte ich erstaunt fest, dass trotz der frühen Uhrzeit schon einige Wanderer unterwegs waren. Vermutlich ist an schönen Sommertagen zur Mittagszeit an diesem großzügigen Rastplatz mit bewirteter Hütte die Hölle los. Ich bestaunte den Wasserfall von oben (von wo er nicht besonders spektakulär aussieht) und holte kurz Luft.
Was sich als sinnvoll herausstellte, denn es sollte ein knackiger Aufstieg zum Rutschenfelsen folgen, der die Einordnung als „schwere Wanderung“ durchaus rechtfertigt, aber halt auch landschaftlich wirklich reizvoll war: Ein schmaler Pfad führt herum um einen Felsen, man erklimmt über kleine Treppen Meter um Meter und wird schließlich mit einer wirklich spektakulären Aussicht auf Urach, die Hohenurach und die gesamte Umgebung belohnt. Besonders eindrücklich war für mich der Blick weit hinüber zum Hohenneuffen, wo ich noch am Vortag gewandert war: Faszinierend, welche Distanzen man zu Fuß zurücklegen kann.
Nachdem ich vermutlich an jedem einzelnen Aussichtspunkt Fotos gemacht hatte, setzte ich die Tour fort über Wiesen und durch Wälder. Nach einer Weile öffnete sich der Wald und gab den Blick frei auf einen mächtigen, weißen Turm. Ich hatte die Hohe Warte erreicht. Um Kräfte zu sparen schenkte ich mir allerdings den Aufstieg, obwohl es sich sicherlich gelohnt hätte.
Ich streifte sattgrüne Felder, die im warmen Wind wie ein Meer wogten, kam durch einen Pferdehof und suchte mehr oder weniger dringend ein Plätzchen im Schatten, um Mittagspause zu machen.
Doch ein Teerweg führte mich zunächst in der prallen Sonne entlang eines Zauns, hinter dem sich, was ich erst mit zunehmender Höhe sehen konnte, ein riesiges, rundes Wasserbecken befand. Ich hatte das Oberbecken des Pumpspeicherwerks Glems erreicht, fand ein schattiges Plätzchen und machte mich über meine morgens gekauften Leckereien her.
Weiter geht’s
Gut 20 Minuten später brach ich wieder auf, umrundete das Becken weiter und gelangte zu einem Aussichtspunkt, von dem ich das Pendant zum Oberbecken im Tal sehen konnte, und später den Ausblick auf Eningen mit seinem markanten Hügel bestaunte. Eine lange Allee entlang führte mich der Weg erneut durch einen Hof, auf dem Miniponys in der Sonne grasten und dösten und nach einem langen, staubigen, aufgeheizten Schotterweg geradeaus hätte ich es ihnen gerne gleich getan.
Die Etappe ist jedoch wirklich abwechslungsreich gestaltet und der nächste Waldweg kam und brachte Schatten mit. Schatten, Aussichtsfelsen, eine nicht mehr existente Burgruine und merkwürdige Geräusche, die sich ein paar Hundert Meter weiter als das Pfeifen einer Schleppleine im Wind herausstellte, die einen Segelflieger in die Höhe gezogen hatte. Ich umrundete den Flugplatz Übersberg, um auf dem folgenden großen Spiel- und Grillplatz in eine ausgelassene, laute türkische Feier mit 100 Autos und gefühlt fünf Mal so vielen Menschen zu geraten.
Ich ließ das Spektakel hinter mir und erreichte bergab über Wiesenwege und plötzlich wieder völlig allein auf weiter Flur den Ort Holzelfingen. Über die Burg Greifenstein führte der schmale Waldweg immer am Grat entlang, belohnte mit Ausblicken ins Tal und machte für mich die zweite Etappe zu der wesentlich schöneren meiner beiden Touren.
Mit Blick auf die Uhr und dem Wissen, dass mein „Taxi“ bereits im Anflug auf Honau war, legte ich einen Zahn zu. Doch der Weg wollte kein Ende nehmen, führte sachte bergauf und bergab, links- und rechtsherum am Berg entlang aber gefühlt immer weiter und weiter. Irgendwann entdeckte ich ein kleines Holzschild mit der Aufschrift „Sonnenweg“, der nach Honau hinabführte. Ein Abstieg, der sich dank des Regens in den Wochen davor als recht abenteuerlich erwies, weil der Kies den Hang hinabgerutscht war und der Weg als solcher nicht immer sofort zu erkennen war.
Ich musste mich ein letztes Mal konzentrieren, um nicht auf den letzten Metern noch auf dem Hintern zu landen, aber irgendwann öffnete sich auch dieser Weg, wurde breiter, mündete in einen geteerten Fahrweg und führte mich schließlich aus dem Wald heraus direkt in ein Honauer Wohngebiet, wo nicht nur eine Bank stand, sondern wenige Augenblicke später auch mein Abholer.
Ich sage euch: Gepolstert in einem klimatisierten Auto zu sitzen – man unterschätzt den Genuss viel zu oft. 🙂
Fazit nach zwei Albsteigetappen
Mein Fazit? Albsteigwandern ist toll, allerdings eher für geübte Wanderer mit Ausdauer und ausreichend Kondition. Sowohl die Streckenlängen als auch die Steigungen sind nichts für Spontanentschlossene, die sonst maximal sonntags zwei Kilometer durchs Wohngebiet flanieren. Die erste, also die 9. Etappe, hat durchaus auch ihre schönen Seiten, mein Highlight war aber definitiv die 10. Etappe, die ich gerne noch einmal wandern würde, gerne auch in Gesellschaft.
Apropos Gesellschaft: Ich kann jedem wirklich ans Herz legen, auch mal alleine wandern zu gehen. Ich hatte eine Bank dabei, aber mein Handyakku hat mich nie im Stich gelassen. Die Netzabdeckung war überall ausreichend, so dass ich im Bedarfsfall hätte Hilfe rufen können. Die Beschilderung war grandios gut, ich musste nur einmal inmitten eines Hofes kurz in zwei Richtungen suchen, wo das nächste Schild mit rotem Dreieck hängt, ansonsten war der Weg immer klar und gut zu finden. Wer Spaß an Ausdauertouren hat, dem kann ich den Albsteig wirklich ans Herz legen, die zweite Etappe war inklusive Abstieg nach Honau gut 28 Kilometer lang. Mehr hätte ich dann auch nicht mehr gebraucht. Und ja, man kann auch als Frau alleine unterwegs sein, ich hatte in den zwei Tagen mehr nette Gespräche mit völlig Fremden als in einer Woche im Job. Aber ein ungutes Gefühl hatte ich nie. Das Glück und das Freiheitsgefühl haben immer überwogen.