Von einer, die loszog … 52 Kilometer #Albsteig in zwei Tagen

Wandern, so weit meine Füße mich tragen: Bis vor ein paar Monaten hieß das für mich: nach 28 Kilometern ist Schluss, weil meine Füße zwar durchaus noch kooperativ gewesen wären, mein rechtes Knie allerdings aus der Wandergemeinschaft aussteigen wollte. Und jetzt lass mal ein einzelnes Knie irgendwo zurück … seit ich allerdings zu joggen begonnen habe, haben sich meine Knieprobleme in Luft aufgelöst. Vermutlich hat mein Körper einfach eingesehen, dass ich ziemlich stur am Konzept „Bewegung“ festhalte und mich Widerstand jedweder Art nur auf neue Ideen bringt.

Eine Frau, ein Rucksack, ein Plan

Eines Sonntagmittags stand ich im Garten und starrte in den blauen Frühlingshimmel, der mit weißen Wattewölkchen verziert war wie eine Schwarzwälder Kirschtorte mit Sahnetupfen. Und ich hatte spontan unbändige Lust, wandern zu gehen. Alleine, eine Frau, ein Rucksack, ein Ziel.

Ich googelte. Und fand schnell etwas, was wie eine Antwort auf meine Sehnsucht schien. Nämlich den ältesten Albvereinswanderweg in Deutschland, den HW1, auch bekannt als Albsteig. Ein paar Etappen kenne ich schon, also entschied ich mich für Etappe 9 und 10 und beschloss, in der Mitte zu übernachten. Die Strecke führte mich von der Burg Teck bis nach Bad Urach und von dort an Tag zwei bis nach Honau.

Gebucht, gesucht, geflucht …

„Geh doch nicht alleine“, wand mein Mann besorgt ein. Ich überlegte kurz. Schon oft war ich alleine auf unbekannter Tour. Noch nie hatte ich irgendwelche Bedenken dabei. Weder muss man mit Bären oder Schlangen in heimischen Gefilden rechnen, noch bin ich ansonsten blauäugig unterwegs. Aber weil die Aussicht auf vergnügliche Stunden in Gesellschaft durchaus ihren Charme hatte, begeisterte ich eine Freundin für die Touren. Wir entschieden uns für ein Wochenende im Juni und buchten ein Hotel.

Und ab da machte das Leben seinen eigenen Plan. Die Freundin wurde in der Woche vor es losgehen sollte von Corona erwischt. Nach dem ersten Tief beschloss ich, das Hotel nicht zu stornieren, denn das Wetter sollte mehr als gut werden. Notfalls wollte ich eben doch allein gehen. Aber ich fand spontan eine Ersatzbegleitung. Zumindest bis zum Morgen des ersten Wandertags, denn auch hier war ein Infekt stärker als die Wanderlust… Und so wurde aus dem ganz am Anfang geplanten Solo-Trip … eben genau das.

Das „Gepäck“

Ich packte das (für eine eitle Frau) minimalste Gepäck zusammen, das da bestand aus Zahnputzzeug, Duschgel, Shampoo und Spülung, Kontaktlinsenreiniger und Wechselwäsche.

Los geht’s!

Und ab da stapfte ich fröhlich dem roten Dreieck auf den Wegweisern hinterher, mit dem der Hauptwanderweg 1 gekennzeichnet ist. Hinunter vom Burgberg der Teck und hinein in das Örtchen Owen. Ich spazierte an Stationen eines geschichtlichen Rundwegs vorbei, streichelte fremde Katzen, bestaunte im Wind flatternde Wäsche und fühlte mich völlig in meinem Element.

Erst ging es hinunter …
… und dann wieder hinauf.

So etwa, bis ich die Bahngleise überquert hatte, denn erst führte mich der Weg entlang derselben durch die pralle Mittagssonne, um dann steil anzusteigen und gefühlt nie mehr enden zu wollen. Ich schnaufte an älteren Paaren vorbei, die auf ihren Grundstücken Unkraut zupften, ich schnaufte an Männern auf dem Rasentraktor vorbei, ich schnaufte an großen Mähmaschinen vorbei. Zwischendurch schnaufte ich auch an einem anderen Wanderer vorbei, der fröhlich pfeifend und mit großen Schritten bergab ging. Aber hauptsächlich schnaufte ich. Und verfluchte den Weg hinauf auf die „Baßgeige“ und meine Sturheit, mich auf so einen Höllentrip überhaupt eingelassen zu haben und warum ist es ÜBERHAUPT SO SCHEISSE HEISS.

Die Teck im Hintergrund und das Örtchen Owen von oben.

Als ich endlich oben angekommen war, begegnete ich einem älteren Pärchen, das ebenso wie ich den gelben Wegweiser ins Visier genommen hatte. „Kommen Sie von ganz unten?“ wollte der Mann wissen. Ich nickte, noch immer atemlos. „Sind Sie ganz alleine?“ fragte seine Frau.

Sie wollen bis nach Buxte.. Urach?

Ich erklärte den beiden, woher ich komme und wohin ich noch (ja allein, ganz allein) zu wandern gedenke. „Sie wollen BIS NACH BAD URACH?“, fragte mich die Dame ungläubig und kurz überlegte ich, ob ich versehentlich Buxtehude gesagt hätte, aber nein, sie drehte sich zum Wegweiser um und las „Bad Urach, 17 Kilometer“ vor. Das freundliche Angebot, mich ein Stück mit dem Auto mitzunehmen, lehnte ich lachend ab. Was sind schon 17 Kilometer.

Erst kam der Wald, dann der Wald und dann noch mehr Wald

Und in der Tat – auf der Ebene sind 17 Kilometer ein ausgedehnter Spaziergang. Und so spazierte ich durch lichte Buchenwälder, bis ich plötzlich in unmittelbarer Nähe Stimmengewirr hörte. Ich trat aus dem Wald heraus und fand mich in einer Gruppe Gleitschirmflieger wieder. Bunte Fallschirmseide in allen Farben wurde auf dem Boden ausgebreitet und zurechtgezuppelt, einer nach dem anderen ließ sich mit Anlauf über die Bergkante hinausgleiten.

„Ich heb ab … nichts hält mich am Boden …“

Erst nach einer Viertelstunde Zuschauens konnte ich mich losreißen und setzte meinen Weg fort. Und fand mich kurz darauf wieder im dicht belaubten Wald wieder. Und dann … wurde es ein wenig mühsam. Der Weg mäanderte sachte durch einen dichten Laubwald. Und mehr passierte auf den kommenden zehn Kilometern nicht mehr. Ich folgte Rechtskurven, ich folgte Linkskurven, ich begann Selbstgespräche zu führen und vermisste ein klitzekleines bisschen jemanden, der sinnvoll antwortet.

Irgendwann verlor ich spürbar an Höhe und war mir sicher, das Ziel fast erreicht zu haben. Auf dem Weg nach unten führte ich erneut Gespräche mit einer Fremden, erklärte woher und wohin und wiederholte, dass ich wirklich ganz allein unterwegs war. Ja, als Frau. Einfach so.

Bad Urach, erstes Etappenziel erreicht …

Durch die Bäume entdeckte ich schließlich die ersten Dächer von Bad Urach, folgte instinktiv dem Touristenstrom in die Stadtmitte, bestaunte die vielen Fachwerkfassaden und ärgerte mich ein bisschen, dass ich weit und breit keine Eisdiele erspähte. Als ich jedoch mein Hotel gefunden hatte und um die Ecke bog – stand ich vor einer Eisdiele mit gefühlt 100 Sorten bunten Eisbergen in der Auslage, von denen „Ricotta-Feige“ noch einer der weniger exotischen war. Und da das Hotel erst eine halbe Stunde später öffnete, genoss ich die Bank im Schatten und drei Kugeln Eis mit Sahne. Die ersten 24 Kilometer waren geschafft. Und ich gleich mit. Wohl wissend, dass am Tag drauf deutlich mehr Höhenmeter und auch eine längere Gesamtstrecke auf mich warteten…

Mein Fazit der neunten Albsteigetappe

Die Etappe ist am Anfang ein bisschen zäh, der Weg führt zwar durch ein nettes Örtchen, aber dann entlang der Bahngleise von Owen und weiter ohne Schatten (was im Sommer anstrengend sein kann) recht steil bergan. Im Wald hat der Weg durchaus Charme. Insgesamt war mir der Abschnitt gegen Ende durch den Wald zu wenig abwechslungsreich, wofür aber niemand was kann. Die Aussichtspunkte hinüber zur Teck und zum Hohenneuffen sind natürlich eine Belohnung, aber auch diese sind am Ende Mangelware. Bad Urach hingegen ist ein schöner Etappenzielpunkt, der sogar ein Thermalbad böte. Ich war am Ende des Tages einfach froh über eine Dusche, eine Pizza und ein Bett. 🙂 Würde ich die Strecke nochmal laufen? Eher nicht.